Thursday, 27 October 2016

189) Der alte Affe erzählt 5
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Der alte Affe erzählt 5
Andere Täler, andere Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In einigen Gegenden hielten sich an den Händen, in anderen auch Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das weiblich Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad der Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin. „Wenn die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in einem traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt erhellte sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da …………. „Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er. Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit. Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine Beständigkeit, aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden. Obwohl man sich verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich geht. Der alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen. Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde. Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling, aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen, sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel beginnt.
Die letzten Bäume und Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einem Baum ist nicht unbedingt das gleiche, wie auf einem Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ – fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und antwortete. Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich wegen meiner Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler besucht und dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat verlassen?“ – „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ – „Nein, ich hatte keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters anzuhören.“ – „Und da dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren musst!“ – „Vielleicht ist das so.“
Als die Sonne hinter den Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte als den Kopf. „Wir sind Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere eigene Gemeinschaft aufgebaut.“
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Tuesday, 18 October 2016

188) Der alte Affe erzählt 4
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Der alte Affe erzählt 4
Diese Art von Sticheleien fand aber nicht nur in der Familie des Stiefvaters statt. In der der Mutter hatte es fünf Töchter gegeben, die ständig wegen der geringsten Kleinigkeit miteinander stritten. Ein Beispiel soll auch diese schöne Gesellschaft illustrieren. Der alte Affe war zu dieser Zeit vielleicht gerade ins Unterrichtsalter gekommen. Er fragte eine seiner Tanten, warum sie ihr Leben dem Bananengott gewidmet hatte. Sie erklärte ihm, dass der Tod ihres Vaters sie so tief getroffen und dies ihr Leben völlig verändert hatte. Auf dem Weg nach Hause wollte er dies mit seiner Mutter besprechen, worauf sie ihm nur die herabwürdigende Bemerkung zuschickte: „Ach was! Die hat ein großer Affe verlassen. Glaub der kein Wort!“
Dieser Gedankengang spielte sich in ein paar Sekunden ab, wie er ihm schon tausend Mal durch den Kopf gegangen war. Deshalb merkte die Enkelin auch nicht, dass sie hier einen wunden Punkt getroffen hatte. War es wirklich so schmerzlich? Wahrscheinlich nicht. Er hatte gelernt, damit zu leben, aber hätte es nicht erklären können. Man/Affe muss nicht immer alles deutlich definieren können, um weiterhin einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Er fuhr fort mit dem nächsten Tal.
Also, Ich verabschiedete mich von meinen überraschten, oder besser enttäuschten Kumpaninnen und Kumpanen und begab mich in gerader Linie in Richtung entgegengesetzte Bergkette. Ausgestattet mit aller seelischen Unterstützung, die eigentlich aus einer Art Schadenfreude bestand, weil sich an der Nase dieser Neider, die ihr Tal noch nie verlassen hatten, genau gezeigt hatte, dass der eine oder andere doch gern mitgekommen wäre. „Du fliehst bloß vor etwas!“ – klang es noch immer in meinen Ohren. Sie hatten diese Sprüche wahrscheinlich nur von ihren Eltern gehört, die Angst hatten, dass ihre lieben Kinder vielleicht Flügel bekommen. Selbst hätte ihnen so etwas nicht einfallen können, da sie ja vom Leben noch keine Ahnung hatten.
Was würde mich wohl diesmal erwarten? Natürlich eine riesige, große Wiese. So sah es wenigsten von oben aus. Man hätte darauf spazieren gehen können. Ich wusste aber aus Erfahrung ………… Hm! Erfahrung? Ja, es war außer meinem Heimattal schon das dritte. Und ich wusste aus Erfahrung, dass dieser grüne Teppich ein Regenwald ohne Ende bedeutete. Freudig stieg ich auf den ersten größeren Baum, der sich mir anbot, schwang mich dann von einem zum anderen, schlug ein paar Saltos und erfreute mich des Lebens. Zu übermütig erwiesen sich meine Übungen, weil der eine Ast plötzlich brach. Aber von vier oder fünf Metern herunterzufallen, bedeutet für uns Affen keine große Gefahr. Wie eine Katze landen wir immer auf den Füßen. Der Aufprall auf dem Grund erwies sich als überraschend weich. Das war keine feste Erde, sondern Sumpf. Durch die Wucht war ich bis zur Hüfte eingesunken. Schnell suchte ich einen festen Halt. Es gab nur Büsche und Sträucher. Sie verhinderten zunächst mein weiteres Einsinken. Langsam und vorsichtig zog ich mich zu einem Baum. Doch, wie sah ich jetzt aus! Wie ein Wildschwein, das sich im Dreck gewälzt hatte. So konnte ich keinem schönen Affenmädchen unter die Augen treten. Ein schöner Affe muss nicht unbedingt nach Banane oder Kokosnuss riechen, aber darf auch nicht gerade von Kopf bis Fuß mit Dreck bedeckt sein. Also weiter von Baum zu Baum, bis zu einem Bach, Fluss oder See. Doch hier war alles Sumpf.
Lange dauerte es, bis ich ein einigermaßen reines Wasser fand. Ich sprang hinein und fühlte sofort, wie sich der schon festgetrocknete Dreck und Schlamm aus meinem Fellkleid löste. Was für eine Erfrischung! Doch sollte ich mich nicht lange dieser Wohltat erfreuen. Neben mir schlug es wie ein Blitz ein. Eine lange Lanze hatte ein Krokodil getroffen, das mich eben hatte anknabbern wollen. Aber bevor ich mich vergewissern wollte, wer mir da gerade mein Leben geschenkt hatte, war ich mit einem Satz aus dem und auf einem Baum.
Dann sah ich mich um. Das saß ein hübsches Affenmädchen auf einem Ast schräg über mir und kugelte sich fast vor Lachen. Ich sich beruhigenden Wasserspiegel besah ich mich von Kopf bis Fuß, um herauszufinden, was wohl so witzig an mir sei. Es musste mein Zustand sein und vielleicht der Schrecken in meinem Gesicht. Weiblichen Tieren gefallen nicht immer diese Superaffen. Neben so einem Fehlerlosen fühlen sie sich oft überflüssig. Tja, wer benötigt nicht manchmal das Gefühl, gebraucht zu werden? Oder sie hatte mir einen Dienst erwiesen, ich stand in ihrer Schuld und war ihr verpflichtet. Und es gibt Augenblicke, in denen beide Parteien diese Situation als Gelegenheit am Schopfe packen, um sich näherzukommen. Ich stieg also langsam zu ihr hinauf und setzte mich ihr gegenüber. Aber in die Augen wollte sie mir nicht sehen.
Ich sagte ihr etwas, sie antwortete, aber wir verstanden uns nicht. Schon wieder eine andere Sprache. „Sprichst du Deutsch?“ – keine Antwort, „Do you speak Englisch?“ – nur ein Augenzwinkern, „Est-ce que tu parles français?“ – auch darauf keine Antwort. „Na, Spanisch oder Russisch muss ich erst noch lernen!“ Eine neue Lehrerin hatte ich jetzt noch dazu. Gemäßigten Schrittes begaben wir uns auf den Weg zu ihrem Dorf. Sie war gerade auf der Jagd gewesen, deshalb war die Entfernung ziemlich groß.
Wie bekannt mögen Affen den Regen nicht unbedingt. Doch gibt es auch hier Gelegenheiten, bei denen das Nass von oben seinen Charme haben kann. Als es nun anfing, zu regnen, nahm ich ein sehr großes Blatt eines Baumes und hielt es über mich, wie einen Regenschirm, und bot ihr einen Platz darunter neben mir an. Zuerst ziert sie sich ein bisschen, aber schmiegte sich dann doch ganz eng an mich. „Es lebe der Regen.“ Er war gerade zum richtigen Augenblick gekommen.
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Thursday, 6 October 2016

187) Der alte Affe erzählt 3
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Der alte Affe erzählt 3
Mein Engel kümmerte sich nicht nur um meine Pflege, sie nahm sich auch meiner Schulung an. Ich musste doch die Sprache lernen, wollte man mich in die Gesellschaft meiner neuen Umgebung eingliedern. Sie hatte zwar von Struktur und Aufbau der Verständigung keine Ahnung, aber mit viel Zuneigung ging sie ans Werk, jeden Tag ein paar neue Wörter, Redewendungen oder ganze Sätze. Für mich war es nicht die erste Sprache und so begann ich, die verschiedenen Sprachstrukturen miteinander zu vergleichen. Schnell ging es voran, bis ich mein Krankenlager verlassen konnte, war ich verständigungsfähig. Wahrscheinlich hatte auch sie an der ganzen Sache Gefallen gefunden, so trafen wir uns auch weiterhin jeden Tag zum gemeinsamen Lernen. Dabei zeigte sie mir langsam die ganze Stadt. Da die Oberfläche von Raubkatzen beherrscht wurde, hatte dieses Affenvolk im Untergrund eine Heimat geschaffen. Sie ernährten sich hauptsächlich von Wurzeln und Pilzen. Zum Schutz gegen Fleischfresser legte man tiefe Fallen an, wie die eine, in die ich gefallen war und die mir das Leben gerettet hatte.
Viele Affenmännchen schauten uns neidisch nach, wenn wir durch die unterirdischen Alleen spazierten. Sie hätte jeden von ihnen bekommen können. Was zog sie bei mir an? Mein Freigeist? Wenn wir uns schon für etwas entscheiden, ohne zu extravagant zu sein, soll es doch etwas Besonderes sein, interessant, ein bisschen spannend, aufregend, jeden Tag ein bisschen neu. Es gibt nichts Schlimmeres als Langeweile. Sie erzählte von ihrer Familie: Ihr Vater war Funktionär, nicht zu hochrangig, aber mit wichtigen Aufgaben. Ihre Mutter war die Oberkrankenschwester in der Krankenabteilung. Ich unterrichtete sie über meine bisherigen Abenteuer. Sie träumte davon, zu riesen und andere Kulturen kennenzulernen. Ich konnte ja schon damals so wunderschön erzählen, und ihr den Kopf verdrehen. Jeder meiner Geschichten klang, wie ein Märchen. Auch ihre Eltern sahen mich nicht gern, weil ich ihrer Tochter nur „dumme“ Ideen in den Kopf setzte. Sie hätte es gerne gesehen, wenn ich das Land so schnell wie möglich wieder verlasse. Die einen machte ich also neidisch, die anderen sahen in mir eine Gefahr für ihr gewohntes Leben.
Nicht alles endet so schön, wie es angefangen hat. Vielleicht wurde es mir oder ihr auch einfach langweilig. Vor allem hatte ich auch die Nase voll davon, dass es die Affen immer verdächtig fanden, wo ich gerade war, was ich gerade machte und so weiter. Eines Morgens wollte sich dann auch meine Schöne nicht unbedingt mit mir treffen und so beschloss ich, einen kleineren Ausflug in die Berge zu machen. Ich ging und ging, immer geradeaus, bevor ich mich versah, war die kleine Bergkette überwunden.
Diese neue Gegend kam mir so bekannt vor. Tatsächlich, es war mein Heimattal. Zuerst dachte ich natürlich daran, meine alten Gesellen aufzusuchen. Sie riefen auch sogleich alle Bekannten zusammen, so saßen wir an unserem alten Seeufer. Das Interesse das sie zeigten, war eine Mischung aus Neid und dem Wunsch, ihre Schadenfreude zu befriedigen. Sie hatten wirklich erwartet, dass ich als eine Art reuiger Büßer zurückgekommen sei und jetzt bei ihnen um eine Wiederaufnahme bitten würde. „Der verlorene Sohn war nach Hause gekehrt.“ Die Enttäuschung stand ihnen aufs Gesicht geschrieben, als ich mich verabschiedete.
„Hast du dabei auch deine Eltern besucht?“ – fragte jetzt die Enkelin, die während der ganzen Erzählung die Ohren gespitzt, aber mit den Augen die Ferne abgesucht hatte, als würden all die Stätten und Orte dort wirklich erscheinen. Der Großvater hielt eine kleine Pause. Nun drehte sich die Enkelin herum. Er sah auf den Boden, weil er eigentlich nicht daran gedacht hatte, dass auch dies zu seiner Geschichte gehörte. „Tja,“ – dachte er, - „Wie erzählt man über etwas, was einer selbst noch nicht ganz verarbeitet hat, was man ständig nur vor sich hergeschoben hat, weil man sich damit auch eigentlich nicht gerne beschäftigt? Einen Freund, Bekannten oder Sonstige können vergessen, aus dem Gedächtnis gestrichen werden. Aber Verwandte, also Blutsverwandte bleiben, die sucht sich keiner aus, die kann man nur umgehen. Und deshalb log er, das sollte nur selten in seiner Geschichte geschehen. Er wollte diese Leute nicht schlechter machen, als sie waren. „Nein, ich habe sie nicht besucht?“ – war seine Antwort, aber in seinem Kopf spielte sich ab, was schon tausend Mal seinen Sinn betäubt hatte.
Erst kurz vor seinem Weggang hatte er erfahren, dass sein Vater eigentlich nicht sein leiblicher Vater gewesen war. Ein korrekter Affe, der es seinen Adoptivsohn nie hatte merken lassen, dass sie keine Blutbande aneinander kettete, dafür würde er ihm immer dankbar sein. Aber jener war auch keine herausragende Persönlichkeit, einfach ein Durchschnittsaffe, wie tausend andere auf den Bäumen hockten. Er hätte sicherlich ein besseres Weibchen als seine Mutter verdient. Sie dagegen hatte zwar einen Willen, aber keinen Charakter, verfügte über eine gute Nase, um ihren Opportunismus zu unterstützen. Sein echter Vater war reich gewesen, sein Stiefvater, der sie aus dem Schlamassel gezogen hatte, arm, und der nächste wieder ein Herr über weite Bananenhaine.
Die Verwandten des Stiefvaters waren nicht viel besser gewesen, als seine eigene Mutter, hatten sie doch zur Zeit der großen Kriege immer die herrschenden Schichten unterstützt, waren dabei reich geworden, hatten nicht an die Front gehen müssen, sondern hatten im Hinterland lebenssichere Ränge besetzt, und konnten es jetzt nicht vertragen, dass jemand genauso frech Füße küsste.
Als diese Verwandten nun wieder einmal eine Gesellschaft zusammengerufen hatten, um irgendein Jubiläum zu feiern, wurde die neue Haartracht seines Stiefvaters auf sarkastische Weise gelobt. Jene war ein Werk seiner Mutter, was sie auch sofort zur Bemerkung veranlasste: „Tja, früher war er einfach ein grauer Affe, aber heute kann man sich wenigsten anschauen.“ Seine Familie hatte eigentlich seine Frau empfindlich treffen wollen, sie aber wehrte sich schlagfertig, und die versalzte Suppe musste er, der Stiefvater auslöffeln. Keine Beleidigung sollte die Mutter des alten Affen treffen. Das hätte sie nicht ertragen können.
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