189) Der alte Affe erzählt 5
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Der alte Affe erzählt 5
Andere Täler, andere
Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen
dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines
ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er
von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich
herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines
anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm
oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In
einigen Gegenden hielten sich an den Händen, in anderen auch
Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das weiblich
Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad der
Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin. „Wenn
die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in einem
traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt erhellte
sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer
nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da ………….
„Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil
nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er.
Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten
Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die
meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob
sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn
sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder
getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den
Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es
berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging
verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem
Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit.
Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine Beständigkeit,
aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden. Obwohl man sich
verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich geht. Der
alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen.
Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des
Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten
und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und
merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte
nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde.
Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war
zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling,
aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er
toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen,
sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz
und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit
sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber
nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter
benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich
aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden
werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel
beginnt.
Die letzten Bäume und
Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine
Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem
Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren
noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende
schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einem Baum ist nicht unbedingt das
gleiche, wie auf einem Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch
genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo
hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um
natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in
der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging
ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und
arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben
das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ –
fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und antwortete.
Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich wegen meiner
Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler besucht und
dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat verlassen?“
– „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ – „Nein, ich hatte
keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters anzuhören.“ – „Und da
dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren musst!“ – „Vielleicht ist
das so.“
Als die Sonne hinter den
Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat
der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein
anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob
man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft
auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir
gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde
ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung
auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem
heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte
mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich
ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte als den Kopf. „Wir sind
Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich
sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere
eigene Gemeinschaft aufgebaut.“
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Thursday, 27 October 2016
Tuesday, 18 October 2016
188) Der alte Affe erzählt 4
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Der alte Affe erzählt 4
Diese Art von Sticheleien
fand aber nicht nur in der Familie des Stiefvaters statt. In der der Mutter
hatte es fünf Töchter gegeben, die ständig wegen der geringsten Kleinigkeit
miteinander stritten. Ein Beispiel soll auch diese schöne Gesellschaft illustrieren.
Der alte Affe war zu dieser Zeit vielleicht gerade ins Unterrichtsalter
gekommen. Er fragte eine seiner Tanten, warum sie ihr Leben dem Bananengott
gewidmet hatte. Sie erklärte ihm, dass der Tod ihres Vaters sie so tief
getroffen und dies ihr Leben völlig verändert hatte. Auf dem Weg nach Hause
wollte er dies mit seiner Mutter besprechen, worauf sie ihm nur die
herabwürdigende Bemerkung zuschickte: „Ach was! Die hat ein großer Affe
verlassen. Glaub der kein Wort!“
Dieser Gedankengang spielte
sich in ein paar Sekunden ab, wie er ihm schon tausend Mal durch den Kopf
gegangen war. Deshalb merkte die Enkelin auch nicht, dass sie hier einen
wunden Punkt getroffen hatte. War es wirklich so schmerzlich? Wahrscheinlich
nicht. Er hatte gelernt, damit zu leben, aber hätte es nicht erklären können.
Man/Affe muss nicht immer alles deutlich definieren können, um weiterhin
einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Er fuhr fort mit dem
nächsten Tal.
Also, Ich verabschiedete
mich von meinen überraschten, oder besser enttäuschten Kumpaninnen und
Kumpanen und begab mich in gerader Linie in Richtung entgegengesetzte
Bergkette. Ausgestattet mit aller seelischen Unterstützung, die eigentlich
aus einer Art Schadenfreude bestand, weil sich an der Nase dieser Neider, die
ihr Tal noch nie verlassen hatten, genau gezeigt hatte, dass der eine oder
andere doch gern mitgekommen wäre. „Du fliehst bloß vor etwas!“ – klang es
noch immer in meinen Ohren. Sie hatten diese Sprüche wahrscheinlich nur von
ihren Eltern gehört, die Angst hatten, dass ihre lieben Kinder vielleicht
Flügel bekommen. Selbst hätte ihnen so etwas nicht einfallen können, da sie
ja vom Leben noch keine Ahnung hatten.
Was würde mich wohl diesmal
erwarten? Natürlich eine riesige, große Wiese. So sah es wenigsten von oben aus.
Man hätte darauf spazieren gehen können. Ich wusste aber aus Erfahrung …………
Hm! Erfahrung? Ja, es war außer meinem Heimattal schon das dritte. Und ich
wusste aus Erfahrung, dass dieser grüne Teppich ein Regenwald ohne Ende
bedeutete. Freudig stieg ich auf den ersten größeren Baum, der sich mir
anbot, schwang mich dann von einem zum anderen, schlug ein paar Saltos und
erfreute mich des Lebens. Zu übermütig erwiesen sich meine Übungen, weil der
eine Ast plötzlich brach. Aber von vier oder fünf Metern herunterzufallen,
bedeutet für uns Affen keine große Gefahr. Wie eine Katze landen wir immer
auf den Füßen. Der Aufprall auf dem Grund erwies sich als überraschend weich.
Das war keine feste Erde, sondern Sumpf. Durch die Wucht war ich bis zur
Hüfte eingesunken. Schnell suchte ich einen festen Halt. Es gab nur Büsche
und Sträucher. Sie verhinderten zunächst mein weiteres Einsinken. Langsam und
vorsichtig zog ich mich zu einem Baum. Doch, wie sah ich jetzt aus! Wie ein
Wildschwein, das sich im Dreck gewälzt hatte. So konnte ich keinem schönen
Affenmädchen unter die Augen treten. Ein schöner Affe muss nicht unbedingt
nach Banane oder Kokosnuss riechen, aber darf auch nicht gerade von Kopf bis
Fuß mit Dreck bedeckt sein. Also weiter von Baum zu Baum, bis zu einem Bach,
Fluss oder See. Doch hier war alles Sumpf.
Lange dauerte es, bis ich
ein einigermaßen reines Wasser fand. Ich sprang hinein und fühlte sofort, wie
sich der schon festgetrocknete Dreck und Schlamm aus meinem Fellkleid löste.
Was für eine Erfrischung! Doch sollte ich mich nicht lange dieser Wohltat
erfreuen. Neben mir schlug es wie ein Blitz ein. Eine lange Lanze hatte ein
Krokodil getroffen, das mich eben hatte anknabbern wollen. Aber bevor ich
mich vergewissern wollte, wer mir da gerade mein Leben geschenkt hatte, war
ich mit einem Satz aus dem und auf einem Baum.
Dann sah ich mich um. Das
saß ein hübsches Affenmädchen auf einem Ast schräg über mir und kugelte sich
fast vor Lachen. Ich sich beruhigenden Wasserspiegel besah ich mich von Kopf
bis Fuß, um herauszufinden, was wohl so witzig an mir sei. Es musste mein
Zustand sein und vielleicht der Schrecken in meinem Gesicht. Weiblichen
Tieren gefallen nicht immer diese Superaffen. Neben so einem Fehlerlosen
fühlen sie sich oft überflüssig. Tja, wer benötigt nicht manchmal das Gefühl,
gebraucht zu werden? Oder sie hatte mir einen Dienst erwiesen, ich stand in
ihrer Schuld und war ihr verpflichtet. Und es gibt Augenblicke, in denen
beide Parteien diese Situation als Gelegenheit am Schopfe packen, um sich näherzukommen.
Ich stieg also langsam zu ihr hinauf und setzte mich ihr gegenüber. Aber in
die Augen wollte sie mir nicht sehen.
Ich sagte ihr etwas, sie
antwortete, aber wir verstanden uns nicht. Schon wieder eine andere Sprache.
„Sprichst du Deutsch?“ – keine Antwort, „Do you speak Englisch?“ – nur ein
Augenzwinkern, „Est-ce que tu parles français?“ – auch darauf keine Antwort.
„Na, Spanisch oder Russisch muss ich erst noch lernen!“ Eine neue Lehrerin
hatte ich jetzt noch dazu. Gemäßigten Schrittes begaben wir uns auf den Weg
zu ihrem Dorf. Sie war gerade auf der Jagd gewesen, deshalb war die
Entfernung ziemlich groß.
Wie bekannt mögen Affen den
Regen nicht unbedingt. Doch gibt es auch hier Gelegenheiten, bei denen das
Nass von oben seinen Charme haben kann. Als es nun anfing, zu regnen, nahm
ich ein sehr großes Blatt eines Baumes und hielt es über mich, wie einen
Regenschirm, und bot ihr einen Platz darunter neben mir an. Zuerst ziert sie
sich ein bisschen, aber schmiegte sich dann doch ganz eng an mich. „Es lebe
der Regen.“ Er war gerade zum richtigen Augenblick gekommen.
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Thursday, 6 October 2016
187) Der alte Affe erzählt 3
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Der alte Affe erzählt 3
Mein Engel kümmerte sich
nicht nur um meine Pflege, sie nahm sich auch meiner Schulung an. Ich musste
doch die Sprache lernen, wollte man mich in die Gesellschaft meiner neuen
Umgebung eingliedern. Sie hatte zwar von Struktur und Aufbau der
Verständigung keine Ahnung, aber mit viel Zuneigung ging sie ans Werk, jeden
Tag ein paar neue Wörter, Redewendungen oder ganze Sätze. Für mich war es
nicht die erste Sprache und so begann ich, die verschiedenen Sprachstrukturen
miteinander zu vergleichen. Schnell ging es voran, bis ich mein Krankenlager
verlassen konnte, war ich verständigungsfähig. Wahrscheinlich hatte auch sie
an der ganzen Sache Gefallen gefunden, so trafen wir uns auch weiterhin jeden
Tag zum gemeinsamen Lernen. Dabei zeigte sie mir langsam die ganze Stadt. Da
die Oberfläche von Raubkatzen beherrscht wurde, hatte dieses Affenvolk im
Untergrund eine Heimat geschaffen. Sie ernährten sich hauptsächlich von
Wurzeln und Pilzen. Zum Schutz gegen Fleischfresser legte man tiefe Fallen
an, wie die eine, in die ich gefallen war und die mir das Leben gerettet
hatte.
Viele Affenmännchen schauten
uns neidisch nach, wenn wir durch die unterirdischen Alleen spazierten. Sie
hätte jeden von ihnen bekommen können. Was zog sie bei mir an? Mein
Freigeist? Wenn wir uns schon für etwas entscheiden, ohne zu extravagant zu
sein, soll es doch etwas Besonderes sein, interessant, ein bisschen spannend,
aufregend, jeden Tag ein bisschen neu. Es gibt nichts Schlimmeres als
Langeweile. Sie erzählte von ihrer Familie: Ihr Vater war Funktionär, nicht
zu hochrangig, aber mit wichtigen Aufgaben. Ihre Mutter war die
Oberkrankenschwester in der Krankenabteilung. Ich unterrichtete sie über
meine bisherigen Abenteuer. Sie träumte davon, zu riesen und andere Kulturen
kennenzulernen. Ich konnte ja schon damals so wunderschön erzählen, und ihr
den Kopf verdrehen. Jeder meiner Geschichten klang, wie ein Märchen. Auch
ihre Eltern sahen mich nicht gern, weil ich ihrer Tochter nur „dumme“ Ideen
in den Kopf setzte. Sie hätte es gerne gesehen, wenn ich das Land so schnell
wie möglich wieder verlasse. Die einen machte ich also neidisch, die anderen
sahen in mir eine Gefahr für ihr gewohntes Leben.
Nicht alles endet so schön,
wie es angefangen hat. Vielleicht wurde es mir oder ihr auch einfach
langweilig. Vor allem hatte ich auch die Nase voll davon, dass es die Affen
immer verdächtig fanden, wo ich gerade war, was ich gerade machte und so
weiter. Eines Morgens wollte sich dann auch meine Schöne nicht unbedingt mit
mir treffen und so beschloss ich, einen kleineren Ausflug in die Berge zu
machen. Ich ging und ging, immer geradeaus, bevor ich mich versah, war die kleine
Bergkette überwunden.
Diese neue Gegend kam mir so
bekannt vor. Tatsächlich, es war mein Heimattal. Zuerst dachte ich natürlich
daran, meine alten Gesellen aufzusuchen. Sie riefen auch sogleich alle
Bekannten zusammen, so saßen wir an unserem alten Seeufer. Das Interesse das
sie zeigten, war eine Mischung aus Neid und dem Wunsch, ihre Schadenfreude zu
befriedigen. Sie hatten wirklich erwartet, dass ich als eine Art reuiger
Büßer zurückgekommen sei und jetzt bei ihnen um eine Wiederaufnahme bitten
würde. „Der verlorene Sohn war nach Hause gekehrt.“ Die Enttäuschung stand
ihnen aufs Gesicht geschrieben, als ich mich verabschiedete.
„Hast du dabei auch deine
Eltern besucht?“ – fragte jetzt die Enkelin, die während der ganzen Erzählung
die Ohren gespitzt, aber mit den Augen die Ferne abgesucht hatte, als würden
all die Stätten und Orte dort wirklich erscheinen. Der Großvater hielt eine
kleine Pause. Nun drehte sich die Enkelin herum. Er sah auf den Boden, weil
er eigentlich nicht daran gedacht hatte, dass auch dies zu seiner Geschichte
gehörte. „Tja,“ – dachte er, - „Wie erzählt man über etwas, was einer selbst
noch nicht ganz verarbeitet hat, was man ständig nur vor sich hergeschoben
hat, weil man sich damit auch eigentlich nicht gerne beschäftigt? Einen Freund,
Bekannten oder Sonstige können vergessen, aus dem Gedächtnis gestrichen
werden. Aber Verwandte, also Blutsverwandte bleiben, die sucht sich keiner
aus, die kann man nur umgehen. Und deshalb log er, das sollte nur selten in
seiner Geschichte geschehen. Er wollte diese Leute nicht schlechter machen,
als sie waren. „Nein, ich habe sie nicht besucht?“ – war seine Antwort, aber
in seinem Kopf spielte sich ab, was schon tausend Mal seinen Sinn betäubt
hatte.
Erst kurz vor seinem Weggang
hatte er erfahren, dass sein Vater eigentlich nicht sein leiblicher Vater
gewesen war. Ein korrekter Affe, der es seinen Adoptivsohn nie hatte merken
lassen, dass sie keine Blutbande aneinander kettete, dafür würde er ihm immer
dankbar sein. Aber jener war auch keine herausragende Persönlichkeit, einfach
ein Durchschnittsaffe, wie tausend andere auf den Bäumen hockten. Er hätte
sicherlich ein besseres Weibchen als seine Mutter verdient. Sie dagegen hatte
zwar einen Willen, aber keinen Charakter, verfügte über eine gute Nase, um ihren
Opportunismus zu unterstützen. Sein echter Vater war reich gewesen, sein
Stiefvater, der sie aus dem Schlamassel gezogen hatte, arm, und der nächste
wieder ein Herr über weite Bananenhaine.
Die Verwandten des
Stiefvaters waren nicht viel besser gewesen, als seine eigene Mutter, hatten
sie doch zur Zeit der großen Kriege immer die herrschenden Schichten
unterstützt, waren dabei reich geworden, hatten nicht an die Front gehen
müssen, sondern hatten im Hinterland lebenssichere Ränge besetzt, und konnten
es jetzt nicht vertragen, dass jemand genauso frech Füße küsste.
Als diese Verwandten nun
wieder einmal eine Gesellschaft zusammengerufen hatten, um irgendein Jubiläum
zu feiern, wurde die neue Haartracht seines Stiefvaters auf sarkastische
Weise gelobt. Jene war ein Werk seiner Mutter, was sie auch sofort zur
Bemerkung veranlasste: „Tja, früher war er einfach ein grauer Affe, aber
heute kann man sich wenigsten anschauen.“ Seine Familie hatte eigentlich
seine Frau empfindlich treffen wollen, sie aber wehrte sich schlagfertig, und
die versalzte Suppe musste er, der Stiefvater auslöffeln. Keine Beleidigung
sollte die Mutter des alten Affen treffen. Das hätte sie nicht ertragen
können.
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