186) Der alte Affe erzählt 2
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Der alte Affe erzählt 2
Mit einer fremden Aussprache
fragte mich eine Stimme: „Was spionierst du hier herum?“ Es war richtig, ich
hatte mich wie ein Agent versteckt und den Leuten zugeschaut, ihnen zugehört.
Was konnte ich jetzt darauf antworten? Da nach meinem Wissen keiner der Affen
je über die Berge gegangen war, fiel es mir auch nicht ein, dass die Affen
dort feindlich gesinnt sein könnten. Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was
ich hätte sagen sollen und mach mich dadurch nur noch verdächtiger. Man ließ
mich wieder allein, aber jetzt konnte ich mir wenigstens den Raum, oder
besser die Zelle, in der ich war, ein bisschen anschauen. In meinem
Heimatland gab es so etwas meines Wissens nicht. Oder vielleicht hatte man es
mir nie gezeigt? Wir lebten dort alle auf den Bäumen und kamen nur zum
Wassertrinken auf den Boden.
Nach ein paar Tagen neben
halbverfaulten Bananen und abgestandenem Wasser brachte man mich an einen Ort
unter einem Baumhausdorf, um dort die Abfälle auf dem Boden
zusammenzusammeln. Es stank fürchterlich, da lag ein Gemisch von Obstresten,
Kot und Urin. Ich sollte also Sklavenarbeit verrichten. Zum Essen bekam ich
nichts, was es da an Früchteresten gab, und der kleine verschmutzte Bach
schien mir als Nahrung zugedacht. Wenn ich nicht arbeitete, bewarf man mich
mit Abfällen. Eine unäffliche Behandlung! In der Nacht musste ich dort auf
dem Boden schlafen.
Langsam lernte ich, ihre Sprache
zu verstehen, obwohl jedweder Kontakt mit mir vermieden wurde. Schon einige
Monate dauerte dieser Zustand, und es gab nicht gerade rosige Aussichten, wie
ich hier wieder herauskommen sollte. Als ich einmal so vor mich hinträumte
und wahrscheinlich zu langsam arbeitete, traf mich ein Apfelputzen am Kopf.
Zornig erhob ich die Faust und rief in ihrer Sprache: „Glaubt ihr, dass dies
ein affenwürdiges Verhalten ist?“ Hämisches Gelächter war die Antwort, aber
von diesem Tag an bewarf man mich wenigstens nicht mehr mit Abfall.
Und irgendwann kam mir dann
der Gedanke, was wohl passieren würde, wenn ich einfach fortginge. Ich
bewegte mich also ganz normalen Schrittes in eine Richtung, ohne die kleinste
Reaktion hervorzurufen. Als ich das Ende des Tales erreicht hatte, war es
sicher, dass ich das eigentlich schon viel früher hätte tun können. Es war
nur die anfängliche Einschüchterung gewesen, die mich zurückgehalten hatte.
Oder einfach meine Dummheit?
Nun ging es wieder bergauf,
aber dieses Mal war ich nicht mehr so neugierig darauf, was sich wohl auf der
anderen Seite zeigen sollte, zuerst musste nämlich dieser Ort verlassen
werden. Ich schaute nicht einmal zurück. Als ich oben angekommen war, tat
sich vor mir eine Hochebene auf, mit wenigen Bäumen, aber zwei Meter hohen
Gräsern und Sträuchern. Welches Affenvolk sollte wohl hier sein Leben
fristen? Jetzt hatte ich aber nicht vor, mich zu verstecken. Aufrecht und
ziemlich auffällig bahnte ich mir einen Weg durch das Gestrüpp.
Das sollte sich jedoch
schnell ändern, als ich ein fürchterliches Gebrüll vernahm. Das waren keine
Affen, es klang mehr nach riesigen Kätzchen. Schnell begab ich mich in
Richtung eines nahstehenden Baumes, um einmal darauf geklettert einen
Überblick über die Lage zu bekommen.
Ich schlich also von Baum zu
Baum, drang so immer tiefer in die Ebene hinein. Nachts schlief ich auf einem
der Früchte trug. Manchmal hörte ich dieses Katzenvieh, konnte aber niemals
eines sehen. Tja! Wer versteckte sich hier vor wem? Wenn Gefahr keine
wirkliche Form annimmt, wird man unvorsichtig. Das sollte auch mir so
ergehen. Als ich so dahinschlenderte, wurde ich plötzlich darauf aufmerksam,
dass mir etwas folgte. Wenn ich ging kam es näher, wenn ich anhielt, stoppte
es auch. Es war nicht mehr weit entfernt, da nahm meine Nase den penetranten
Geruch von Fleischfressern auf. Jetzt kam die Angst! Wo war der nächste Baum?
Meine Verfolger hatten auch bemerkt, dass sie meine Aufmerksamkeit erweckt
hatten. Und so begann die wirkliche Jagd.
Ich nahm die Beine in die
Hand und flog förmlich über Gestrüpp und Büsche, aber das Kätzchen kam immer
näher. Alle Körperfunktionen hatte ihre Arbeit eingestellt, nur die
Fortbewegung rotierte auf vollen Touren. Wahrscheinlich wunderten sich meine
Verfolger, wie ein Affe so schnell laufen kann. Doch half es nichts, die
Entfernung verkürzte sich von Schritt zu Schritt. Hinter mir setzte jener zum
letzten, entscheidenden Sprung an. Ich fühlte schon den tödlichen Atem an
meinem Nacken, als ich den Boden unter den Füßen verlor. Wie eine Ewigkeit
erschien es mir, Dunkelheit um mich, dann ein harter Aufprall. Bestimmt hatte
ich mir jeden Knochen gebrochen, jedoch fühlte ich es nicht. Oben am Rand des
Loches sah ich in ziemlicher Entfernung das Katzenvieh. Es hätte ohne
Probleme herunter, aber sicher nicht wieder hinaufspringen können. Verärgert
und fauchend schaute es zu mir in die Tiefe. Dann verlor ich das Bewusstsein.
Du brauchst Verbündete,
jeder Feind deines Gegners ist dein Freund.
Ich vernahm eine zärtliche
Stimme und glaubte mich im Paradies. Ein weibliches Affenengelchen mit einem
wunderschönen Gesicht schwebte mir vor meinen geistigen Augen. Dieses
Engelchen wechselte gerade den Verband an meiner Stirn. Ich machte langsam
die Augen auf und da war sie, jung und hübsch. Sie sagte mir etwas, was ich
natürlich wieder nicht verstand. Naja, erneut ein anderes Land mit einer
anderen Sprache. Ob man wohl auch im Paradies eine fremde Sprache hat? Das
Bild verschwand.
Ich stellte mir vor, dass
ich ihr eine Liebeserklärung mache. Aber die Überraschung war groß, als sich
beim nächsten Erwachen, das Engelchen in einen bärtigen, alten Affen
verwandelt hatte. „Wo ist mein Engel?“ – fragte ich. „Gott ist viel zu
hässlich!“ Der Arzt, der meine Sprache verstand, musste schmunzeln. „So krank
können wir ja gar nicht mehr sein, wenn wir unseren Humor noch nicht verloren
haben! Ihr Engel hat auch noch andere Pfleglinge.“ Wahrscheinlich sah er die
Enttäuschung auf meinem Gesicht, und dass es sich bei meinen ersten Worten
nicht unbedingt um Humor gehandelt hatte. Ein paar Minuten später war mein
Engelchen wieder da.
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Saturday, 24 September 2016
Thursday, 15 September 2016
185) Der alte Affe erzählt 1
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185
Der alte Affe erzählt 1
Der alte Affe sitzt auf der
Veranda seines Baumhauses im Hängestuhl, raucht seine Pfeife und hört den
Geräuschen des Urwaldes zu. Auf seinem Schoß liegt ein altes Buch.
Seine Enkelin kommt aus dem
Vorzimmer, lässt sich neben ihm nieder. „Großvater! Erzähl mir ein bisschen
über die guten, alten Zeiten!“ – „Die guten, alten Zeiten, hmm. Die waren
vielleicht nicht so gut!“ – „Aber du erzählst doch immer so lustig.“ –
„Natürlich, aber das bedeutet nicht, dass ich diese Ereignisse damals
wirklich so empfand.“ – „Erzähl doch!“ – bat sie. Er zündete erneut seine
Pfeife an, die seither ausgegangen war und begann.
Ich wurde in eine kleine
Gemeinde geboren. Das ist, woran ich mich erinnern kann. Es gab dort einen
sehr alten Tempel des Bananengottes. Der Priester war ein großer, dicker Mann
mit dünnen Beinen, der immer den jungen Weibchen hinterher sah. Aber ich
glaube, dass er ein gutes Herz hatte, weil er mit Kindern gut umgehen konnte.
Die älteren Mitglieder der Gemeinde waren mit ihm nicht so zufrieden, sie
hielten ihn für unmoralisch. Auch ich denke nicht, dass er ein Heiliger war.
Aber man kann doch nur von Leuten mit Lebenserfahrung erwarten, entsprechend
informiert oder beraten zu werden.
Jeden Morgen also, wenn alle
auf Futtersuche gingen, wurde ein älteres Mitglied ausgewählt, um auf die
Jungtiere aufzupassen. So schickten meine Eltern auch mich dorthin. Sehr oft
kam ich aber verspätet an. Die Aufpasserin erkundigte sich bei meiner Mutter
darüber. Bis sie herausfanden, dass ich mich im Tempel eingefunden hatte. Das
bestätigte natürlich nicht unbedingt meinen Glauben an den Bananengott, war
aber durchaus ein Zeichen für meine Neigungen. Ansonsten waren die
Aufpasserinnen nicht sehr von meiner Anwesenheit begeistert, wahrscheinlich,
weil sie nicht ganz wussten, was sie mit mir anfangen sollten.
Das Wohngebiet war nicht
sehr groß und ziemlich ungefährlich und da ich, als einigermaßen
übergewichtiger, dem Spielen und Treiben der anderen sowieso nicht hätte
folgen können, machte ich meist allein Ausflüge.
Erfahrung prägt und
verändert die Persönlichkeit. Aber dies ist im Allgemeinen in einer kleinen
Gemeinschaft nicht so einfach. Jeder wird eingestuft und in das
Gemeinschaftsmosaik eingepasst. Will er sich nicht eingliedern, oder denkt,
anders zu sein, wird die Ordnung gestört. Eine kleine, enge Gruppe erzeugt
Inflexibilität und führt auf längere Zeit zu Intoleranz.
Später begann der Unterricht
und am ersten Tag wurde für die Neulinge ein großes Fest veranstaltet. Man
wollte ihnen das Wunderbare des Lernens schmackhaft machen. Früh genug musste
ich jedoch feststellen, dass die Unterrichter selbst einfach nur Bananen und
Kokosnüsse im Kopf hatten. So war es auch kein Wunder, ich passte selten auf.
Ich fehlte fast nie, aber dies war wahrscheinlich eher dem Zwang der
Gewohnheit zuzuschreiben. Es war eine dünne, doch eine Verbindung zur
Gemeinschaft. In allem anderen unterschied ich mich von ihr. Während des Unterrichts
lag ich meist mit den Armen hinter dem Kopf gekreuzt irgendwo am Rande der
Gruppe auf einem Ast mit herrlichem Blick in die Ferne.
Als der Unterrichter mich
einmal fragte, was ich gerade mache, schaute ich ihn nur kurz mit einem Blick
„Stör mich nicht!“ an und sah weiter auf die weiten Berge. Eines der jungen,
weiblichen Tiere drehte sich zu mir mit „Wenn’s dir net gfällt, dann geh doch
ham!“ herum. Jetzt hatten auch alle anderen ihren Kopf in meine Richtung
gewandt. Gesichtsausdrücke des Unverständnisses zeigten mir, dass ich hier
eigentlich nichts verloren hatte. Langsam stand ich auf und ging weg. Der
Unterrichter rief mir noch nach – „Ich hab‘ dir das aber nicht erlaubt!“ Ich
kam ein paar Äste zurück und antwortete – „Dich hat auch niemand gefragt.“
Ein Bruch war geschehen, der mich über die Berge katapultieren sollte. So wie
mir, fehlte auch ich keinem.
Es dauerte lange bis ich zu
den Höhen kam. Was war wohl auf der anderen Seite? Hinter mir verschwammen
die Baumwipfel langsam zu einem grünen, einheitlichen Teppich. Voller
Hoffnung, ohne das Gefühl von Hunger und Durst stieg ich hinauf, am Ende auf
allen vieren.
Aber wie groß war meine
Enttäuschung, vor mir das gleiche Bild zu haben, wie hinter mir. Jedoch
zurück wollte ich nicht. Was für eine Blamage wäre das wohl gewesen, schon
nach so kurzer Zeit wiederzukommen. Als ich mich so langsam dem Tal näherte,
konnte ich nochmals das gleiche Spiel nur umgekehrt verfolgen. Der
einheitlich grüne Teppich verwandelte sich Stück für Stück in Bäche, Flüsse, Seen,
Lichtungen, Wälder und Bäume. Als mir dann die ersten Affen entgegenkamen,
versteckte ich mich, ließ sie an mir vorbeigehen. Das Seltsame dabei war,
dass sie fast genauso aussahen, auch die Kleidung unterschied sich nicht
wesentlich von der meiner Heimat. Aber ich konnte nicht verstehen, was sie
sagten. Sie hatten eine andere Sprache. Sogar die Dörfer waren nach dem
gleichen Muster eingerichtet. Es gab Orte für Kinder, Dorfplätze,
Vorratskammern und Bauwohnhäuser, überall das Gleiche. Aber wozu bedurften
sie dann einer anderen Art der Verständigung?
Plötzlich packte mich eine
Hand von hinten am Nacken. Ich wollte mich herumdrehen, aber diese eiserne
Hand drückte meinen Kopf gegen den Boden. Andere Hände hielten meine Arme und
Beine zusammen, ich wurde gebunden, man schob mir etwas in den Mund, damit
ich nicht schreien konnte, zuletzt zog man mir noch einen Sack über den Kopf
und dann wurde es Nacht. Ich wurde irgendwohin gebracht. Wo ich jetzt war,
war es kühl, ich hörte eine Tür, die geschlossen wurde. Ich weiß nicht, wie
lange ich dort lag, schlief nach einiger Zeit ein. Der Weg über die Berge und
der Hunger hatten seine Wirkung getan. Ich war einfach müde und erschöpft.
Als ich wieder aufwachte,
hatte man meine Arme und Hände an eine Art Pritsche gebunden, die sich jetzt
langsam aufstellte. Der Sack wurde von meinem Kopf gezogen, ich schaute in
ein Licht.
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Sunday, 4 September 2016
184) Der Tapfere
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Der Tapfere
Stolz läuft der kleine Strohhaardackel neben
dem Kinderwagen. Endlich hat er seinen Platz wieder gefunden. Nachdem das
Kind geboren war, fühlte er sich nämlich einfach vernachlässigt, hatte sogar
ein paar Kilo zugelegt, weil man ihn für sein Geschäftchen nur noch kurz vor
die Tür führte.
Früher hatte ihn seine Herrin sehr oft und
lange ausgeführt, mit ihm gespielt. Wenn sie sich einsam fühlte oder traurig
war, nahm sie ihn wie einen Teddy-Bär mit ins Bett. Dann kam ein junger Mann,
eigentlich ganz sympathisch, aber nur auf den ersten Blick. Zuerst hatte auch
er mit ihm gespielt, ihm immer einen feinen Brocken mitgebracht. Aber als er
dann eingezogen war, änderte sich alles. Die Rolle des Teddy-Bärs übernahm
von nun an der Jüngling. Man ging natürlich noch viel spazieren, besonders am
Abend, „wie romantisch“, doch spielte mit ihm keiner mehr, und den Platz auf
dem Sofa vor dem Fernsehen musste er abgeben.
Am schlimmsten war es dann die letzten
Wochen vor und die ersten Wochen nach der Geburt des neuen
Familienmitgliedes. Für ihn, den Hund, war dieses nur ein Eindringling, kein
Hund beschäftigte sich mit dem Hund. Nur der Großvater der Familie war eine
Ausnahme, während die ganze Bagage um die Kinderkrippe versammelt war und
unverständliche Laute von sich gab, saß der alte Herr in einer Ecke und
streichelte den Hund. Wie bei einem geheimen Bündnis saßen sie nebeneinander,
schienen, sich zu verstehen. Aber bei dem Vorschlag, der Großvater solle doch
den Hund mitnehmen, weil sie so gut zusammenpassten, blieb ihm kurz das Herz
stehen.
Nach drei Monaten Durststrecke ging es
wieder hinaus, es war gerade Frühling geworden. Und er, der Hund der Familie,
hatte die Aufgabe des Wächters bekommen, die Welt schien wieder in Ordnung.
Eine wirkliche Aufgabe für einen ganzen Hund. Im Park trabte der
Ausgezeichnete mit erhobenem Haupt neben dem Kinderwagen, als plötzlich ein
großer Hund an der Leine um die Heckenecke seine Nase erblicken ließ. Ein
kurzes Knurren, gleich darauf riesiges Gebell des Kleinen, der Große ließ
sich natürlich nicht zweimal bitten, stürzte auf ihn los, das Herrchen viel
beinahe auf die Nase, konnte aber den Großen noch kurz vor dem Zusammenstoß
mit dem Kleinen zurückhalten, was für ein Glück für den Kleinen. Lautes Gebrüll
des Mannes, um den seinen zu zügeln, noch schrilleres Geschrei der Frau:
„Halten sie doch ihren Hund zurück!“ Dabei war auch das bisher friedlich
schlafende Baby aufgewacht und schrie nun aus vollem Hals.
Der ganze Park schaute in die Richtung, aus
der der Krawall kam. Alle bewunderten den tapferen, kleinen Hund, dessen
Stimme alle übertönte.
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