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Woher kommst du?
Dieses verdammte Dorf am Ende der Welt, diese
armen, betrunkenen Bauern und Zigeuner. Warum hatte sie sich bereit erklärt,
hierher zu kommen? Es war die Bitte ihres Professors gewesen. Nur mit
Unwillen hatte sie ihre Zustimmung gegeben. Aber sie hasste es, jeden Tag,
jede Unterrichtsstunde. Es gab hier, hinter dem Mond nicht einmal ein
Buchgeschäft. Der Pfarrer predigte am Sonntag nur Blödsinn und machte danach
ihr, der Dorflehrerin, den Hof. Es gab hier kein Leben, es war das tiefste
Mittelalter. Aber sie hielt durch, nicht weil sie es wollte, sondern weil sie
es ihren Vorbildern, ihren Lehrern und Unterstützern versprochen hatte, in
der Hoffnung, dass auch sie irgendwann an der Universität lehren würde. Jetzt
war sie dreißig und schon ließen sich die ersten Falten in ihrem Gesicht
sehen.
Und schon wieder hatte einer dieser Schüler etwas
gemacht, was die Lehrerin ganz aus der Fassung brachte. Sie schrie und befahl
dem Kind zum Pult zu kommen, um es furchtbar zu bestrafen. Langsam und
zitternd kam es nach vorn. In der ganzen Klasse war es totenstill. Alle
warteten auf den nahenden Weltuntergang, weil sie sahen, wie es in der
Lehrerin stürmte. Als das kleine vor ihr eintraf, legte es schützend die
kleinen Hände vors Gesicht. Die Sekunden wurden lang, irgendetwas
Unerwartetes geschah. Die Lehrerin setzte sich hin und sah mit leeren Augen
in die Ecke. Was ihr jetzt durch den Kopf ging, konnte niemand ahnen. Sie sah
sich selbst.
Als kleines Mädchen mit kleinen Händen zum Schutz
vor dem Gesicht und am ganzen Körper zitternd, weil sie vor dem Lehrer Angst
hatte. Aber er bestrafte sie nicht, sondern sah sie an und sagte zu ihr, dass
sie am Nachmittag zu ihm kommen solle. Beim ersten Treffen war es ihr
ziemlich bange. Während die anderen draußen im Hof spielten, musste sie hier
mit dem Lehrer lernen. Es schien ihr wie eine Strafe. Langsam verstand sie
den Lehrstoff, wurde nach zwei Jahren die Beste in der Klasse, ging dann aufs
Gymnasium und in eine Klasse zu einem Lehrer, zu dem ihr erster Klassenlehrer
sie geschickt hatte. Dieser lernte mit ihr weiter, dann an die Universität,
wieder zu einem Professor, zu dem der zweite Klassenlehrer im Gymnasium sie
geschickt hatte. Und dann wurde auch sie Lehrerin.
Aber bis heute, bis zu diesem Augenblick hatte
sie nicht verstanden, warum diese Lehrer das mit ihr gemacht hatten, warum
sie ihre Zeit für sie geopfert hatten, was sie von ihr erwarteten. Es war ihr
ein Rätsel, warum sie gerade von ihren Unterstützern gebeten worden war, ihre
Zeit hinter dem Mond zu verbringen. War sie nicht gut genug, unter
Akademikern an der Universität zu unterrichten und großartige Dinge zu
vollbringen?
Dies alles ging ihr jetzt durch den Kopf, als das
ängstliche Kind vor ihr stand. Genauso eines war sie selbst gewesen. Auch sie
hatte eine Starthilfe gebraucht. Oder vielleicht war es die Geschichte ihrer
Mutter, Großmutter oder Urgroßmutter. Irgendeiner hatte damit angefangen und
die Zukunft für die nächste Generation geschaffen. Es hörte sich an, wie ein
schlechter Roman aus kommunistischen Glanzzeiten. Dabei war es nur
Menschlichkeit. In der Bibel könnte auch nichts Besseres stehen. Jetzt war es ihr klar.
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Saturday, 2 April 2016
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