164) Das ewige Leben
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Das ewige Leben
„Hier“, fragte der erste verständige Mensch
und zeigte mit seinem Zeigefinger auf den Platz, an dem er gerade stand.
„Hier“, antwortete sein Begleiter. „Dort“, indem er mit seinem Finger in die
Richtung zeigte, aus der sie gekommen waren. „Dort“, kam die prompte Antwort.
„Dort“, indem er in die zu gehende Richtung zeigte. „Dort“, wiederholte der
andere. Sie sahen sich an und erkannten einen Unterschied zwischen dem einen
und dem anderen „dort“.
Wann die Erkenntnis sich bemerkbar machte,
dass es sich hier nicht nur um einen räumlichen, sondern auch um einen
zeitlichen Unterschied handelte, ist schwierig abzusehen. Dann begannen sie,
sich über Vergangenes und Kommendes zu erzählen. Anfänglich war das
Erinnerungsvermögen wahrscheinlich begrenzt. Tote Gruppenmitglieder wurden
schnell vergessen. Bei vagen Bruchteilen des Gedächtnisses verwandelten sie
sich zu Göttern, waren dann unsterblich. Aber für die meisten gab es nur
Geburt und Tod, wobei das Leben dazwischen im Allgemeinen nur aus höchstens
zwanzig bis fünfundzwanzig Sommern bestand.
Wunsch nach Gleichberechtigung ist ein
natürliches Bedürfnis des Menschen. Warum sollte nur der König, Pharao,
Hauptmann oder Gruppenführer über dieses Vorrecht verfügen. Leute, wie
Zarathustra, Buddha oder Jesus, verursachten die ersten gesellschaftlichen
Revolutionen. Der eine teilte die Welt in eine gute und eine böse Macht auf,
und es kam darauf an, auf welche Seite man sich stellen wollte. Der andere
versprach das Nirwana all jenen, die bereit waren ihr, ihr Leben nach
bestimmten Regeln zu führen. Der dritte flunkerte ihnen ein Paradies vor, in
dem sie zu Gottes Füßen sitzen könnten, wenn sie arm blieben.
Es stellte sich nur noch die Frage, auf
welchem Weg man dorthin kommt. Anfänglich war man sich gewiss, dass es der
ganze Körper schafft. Die beweisen reiche Gräber, in die die Toten gelegt
wurden. Da fehlte es wirklich an nichts, Lebensmittel, Waffen, seine
Lieblingstiere, und in den reichsten auch seine Diener oder sogar seine
Frauen. Andere freuten sich über diesen Aberglauben und raubten sie aus. Man
baute sie besser oder versteckte sie. Aber vor dem Menschen ist nichts
sicher, alles wird gefunden und gestohlen. Deshalb musste man sich einen
anderen Trick ausdenken. Jetzt sollte es nur der Seele gelingen, das Ziel zu
erreichen. Dies hatte natürlich noch Vorteile, mehrere Male konnte das Leben
wiederholt werden. Aber ewig durfte es nicht dauern, dies wäre doch zu viel
Glück gewesen. Oder war und ist unendliche Zeit einfach unvorstellbar?
Dennoch führte die Aussicht auf noch eine Möglichkeit, alles ein zweites und
vielleicht drittes Mal versuchen zu können, zur Beruhigung der Gemüter. Dies
ist wahrscheinlich einer der Gründe, dass Religionen vor allem in
Industriestaaten bis heute überlebt haben.
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Thursday, 12 May 2016
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