166) Der Goldfrüchtebaum
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166 Der Goldfrüchtebaum
Da schlummerte er im
Schatten des kleinen Unterstandes. Seine Hunde arbeiteten für ihn, sie
passten auf die Schafe auf, jeder Eindringling, ob Mensch oder andere Tiere,
wurde sofort durch lautes Gebell gemeldet, nicht einmal ein Eichhörnchen
konnte sich unbemerkt nähern.
Deshalb war es dem Hirten
auch unverständlich und er wusste nicht genau, ob er träumte oder wach war,
als so ein Struppelschwanz neben ihm saß. Er bewegte sich nicht, wollte das
tapfere Tier nicht verjagen. Es hatte eine schimmernde Frucht in seinen
Vorderpfoten und sagte: „Daraus wird ein Goldfrüchtebaum! Such einen
geeigneten Platz und pflanz es ein! Und dann komme ich, um in dem Baum zu
wohnen.“ Es gab ihm die Frucht und verschwand.
Ein paar Wolken hatten die
Sonne verdeckt, eine leichte Brise wehte über die Weide. Einer seiner Hunde stupste
ihn am Bein. Er sah auf und wusste, dass er seine Schützlinge in den in der
Nähe liegenden, zerfallenen Burghof bringen musste, in dem die Tiere weniger
dem Unwetter ausgesetzt waren. In der Ruine angekommen, fing es auch schon
an, zu regnen. Jedes Tier suchte seinen Lieblingsplatz auf und der Hirte ließ
sich in dem nach einer Seite halb geöffneten Schuppen nieder. Er machte ein
kleines Feuer und begann, ein Stück Speck und eine Zwiebel auf einem Spieß zu
grillen. Als es fertig war, griff er in die Jackentasche, in der sich ein
bisschen Salz befand. Aber da war etwas. Er nahm es heraus und betrachtete es
genauer. Eine schimmernde Frucht! Nachdenklich drehte er sie in seiner Hand.
Hatte er doch nicht geträumt? Der Hunger rief, er salzte sein Essen. Was
sollte nun mit dieser Frucht passieren? Vielleicht ließ sie sich verkaufen?
Ein Stück Speck? Solches und ähnliches ging ihm durch den Kopf, als er kaute.
Als er wieder auf der Weide
saß, glitt sie mehrmals durch seine Finger. Dann stand er auf, machte mit
seinem Stock ein Loch, legte sie hinein und holte aus der nahen Quelle ein
bisschen Wasser, um sie zu begießen. Dies tat er jetzt jeden Tag. Bis zum
Herbst konnte aber noch immer nichts erkannt werden und im Winter vergaß er
die Sache ganz. Es war kalt und oft plagte ihn der Hunger.
Im Frühling dann sah er vor
seinem Unterstand etwas Kleinen, Schimmerndes, das aber kein Grashalm zu sein
schien. Näher betrachtet glich es einem Baumsprössling, vor allem genau an
der Stelle, an der er im Vorjahr die Frucht gepflanzt hatte. Schnell holte er
ein paar stärkere Stöcke aus dem Wald und baute einen kleinen Zaun um die
kleine Pflanze, damit sie nicht von den Schafen zertrampelt oder abgeweidet
würde. Wieder begann er, sie jeden Tag mit dem Wasser aus der nahen Quelle zu
gießen. Nach dem fünften Jahr konnte er einen Teil seines Körpers im Schatten
des kleinen Baumes legen. Im zehnten Jahr ließ sich die erste Frucht sehen.
Als das zwanzigste Jahr vergangen war, kam das kleine Eichhörnchen wieder zu
ihm, als er gerade im Schatten des Baumes schlummerte und steckte eine
goldene Frucht in seine Tasche. Erst am Abend bemerkte er sie, während er das
Essen grillte und es salzen wollte.
Er blickte in den Baum
hinauf, in dessen Ästen er den kleinen Freund erblickte. Nun hatte er wieder
ein! Was sollte er jetzt damit anfangen? Wenn er sie verkaufte, müsste er
sein Lebtag nicht mehr arbeiten. Einen warmen Ofen, Suppe, nicht gegrilltes,
Kartoffelpüree wie früher zu Hause in seiner Kindheit. Aber würde man ihn
nicht fragen, woher das kommt? Wie sollte er das erklären? Tagelang dachte er
darüber nach, wollte auch das großzügige Tierchen im Baum fragen, doch dieses
ließ sich nicht blicken, sondern ließ ihn mit seinem Problem allein.
Umso mehr er darüber
nachdachte, desto mehr kam ihm die Überzeugung, dass er die Frucht entweder
einpflanzen oder wegwerfen sollte. Um ein ähnliches Problem für die Zukunft
zu vermeiden, warf er sie weg. Wie erstaunt war er, als zwanzig Jahre später
ein Eichhörnchen kam, und ihm eine neue Frucht in die Tasche steckte.
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Sunday, 29 May 2016
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