Sunday, 29 May 2016


166) Der Goldfrüchtebaum
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166 Der Goldfrüchtebaum
Da schlummerte er im Schatten des kleinen Unterstandes. Seine Hunde arbeiteten für ihn, sie passten auf die Schafe auf, jeder Eindringling, ob Mensch oder andere Tiere, wurde sofort durch lautes Gebell gemeldet, nicht einmal ein Eichhörnchen konnte sich unbemerkt nähern.
Deshalb war es dem Hirten auch unverständlich und er wusste nicht genau, ob er träumte oder wach war, als so ein Struppelschwanz neben ihm saß. Er bewegte sich nicht, wollte das tapfere Tier nicht verjagen. Es hatte eine schimmernde Frucht in seinen Vorderpfoten und sagte: „Daraus wird ein Goldfrüchtebaum! Such einen geeigneten Platz und pflanz es ein! Und dann komme ich, um in dem Baum zu wohnen.“ Es gab ihm die Frucht und verschwand.
Ein paar Wolken hatten die Sonne verdeckt, eine leichte Brise wehte über die Weide. Einer seiner Hunde stupste ihn am Bein. Er sah auf und wusste, dass er seine Schützlinge in den in der Nähe liegenden, zerfallenen Burghof bringen musste, in dem die Tiere weniger dem Unwetter ausgesetzt waren. In der Ruine angekommen, fing es auch schon an, zu regnen. Jedes Tier suchte seinen Lieblingsplatz auf und der Hirte ließ sich in dem nach einer Seite halb geöffneten Schuppen nieder. Er machte ein kleines Feuer und begann, ein Stück Speck und eine Zwiebel auf einem Spieß zu grillen. Als es fertig war, griff er in die Jackentasche, in der sich ein bisschen Salz befand. Aber da war etwas. Er nahm es heraus und betrachtete es genauer. Eine schimmernde Frucht! Nachdenklich drehte er sie in seiner Hand. Hatte er doch nicht geträumt? Der Hunger rief, er salzte sein Essen. Was sollte nun mit dieser Frucht passieren? Vielleicht ließ sie sich verkaufen? Ein Stück Speck? Solches und ähnliches ging ihm durch den Kopf, als er kaute.
Als er wieder auf der Weide saß, glitt sie mehrmals durch seine Finger. Dann stand er auf, machte mit seinem Stock ein Loch, legte sie hinein und holte aus der nahen Quelle ein bisschen Wasser, um sie zu begießen. Dies tat er jetzt jeden Tag. Bis zum Herbst konnte aber noch immer nichts erkannt werden und im Winter vergaß er die Sache ganz. Es war kalt und oft plagte ihn der Hunger.
Im Frühling dann sah er vor seinem Unterstand etwas Kleinen, Schimmerndes, das aber kein Grashalm zu sein schien. Näher betrachtet glich es einem Baumsprössling, vor allem genau an der Stelle, an der er im Vorjahr die Frucht gepflanzt hatte. Schnell holte er ein paar stärkere Stöcke aus dem Wald und baute einen kleinen Zaun um die kleine Pflanze, damit sie nicht von den Schafen zertrampelt oder abgeweidet würde. Wieder begann er, sie jeden Tag mit dem Wasser aus der nahen Quelle zu gießen. Nach dem fünften Jahr konnte er einen Teil seines Körpers im Schatten des kleinen Baumes legen. Im zehnten Jahr ließ sich die erste Frucht sehen. Als das zwanzigste Jahr vergangen war, kam das kleine Eichhörnchen wieder zu ihm, als er gerade im Schatten des Baumes schlummerte und steckte eine goldene Frucht in seine Tasche. Erst am Abend bemerkte er sie, während er das Essen grillte und es salzen wollte.
Er blickte in den Baum hinauf, in dessen Ästen er den kleinen Freund erblickte. Nun hatte er wieder ein! Was sollte er jetzt damit anfangen? Wenn er sie verkaufte, müsste er sein Lebtag nicht mehr arbeiten. Einen warmen Ofen, Suppe, nicht gegrilltes, Kartoffelpüree wie früher zu Hause in seiner Kindheit. Aber würde man ihn nicht fragen, woher das kommt? Wie sollte er das erklären? Tagelang dachte er darüber nach, wollte auch das großzügige Tierchen im Baum fragen, doch dieses ließ sich nicht blicken, sondern ließ ihn mit seinem Problem allein.
Umso mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam ihm die Überzeugung, dass er die Frucht entweder einpflanzen oder wegwerfen sollte. Um ein ähnliches Problem für die Zukunft zu vermeiden, warf er sie weg. Wie erstaunt war er, als zwanzig Jahre später ein Eichhörnchen kam, und ihm eine neue Frucht in die Tasche steckte.

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