Sunday, 26 June 2016

171) Sonderbare Fälle
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171                                                                    
Sonderbare Fälle
Die meisten von uns haben schon wenigstens einmal eine Wohnung gemietet und dabei die Erfahrung gemacht, dass der abgeschlossene Mietvertrag nicht wörtlich genommen werden kann oder überhaupt nicht eingehalten wird. Dort ist zum Beispiel die Kaution nicht aufgeführt, die der Vermieter am Ende einfach in die Tasche steckt. Oder es ist etwas aufgeführt, was eigentlich nicht da ist, vom Abstellraum, über Trockenräume für die Wäsche, bis zur Mülltonne und Parkplatz. Auch wenn alles gezeigt wurde, informieren einen später die Nachbarn, dass sich vieles ganz anders verhält.
Eines Morgens bringt man den Müll hinunter und wird dabei von einem energischen Hausgenossen darauf aufmerksam gemacht: „Du hast keine Mülltonne!“ Hier stehst du, mit einem Sack stinkender Eierschalen oder Pampers in der Hand und musst ihn wieder in die Wohnung zurücktragen. Du packst ihn dann in einen undurchsichtigen Sack ein, spazierst auf dem Weg zur Arbeit durch den Park und steckst ihn in eine öffentliche Mülltonne. Vom Arbeitsplatz rufst du den Vermieter an, der natürlich alles leugnet. Am Abend nach der Arbeit begibst du dich zur Müllabfuhr, schließt, natürlich auf deinen eigenen Namen, einen Vertrag ab und mit einer zusätzlichen Gebühr wird die Mülltonne auch noch vor deiner Wohnung abgestellt.
Wie könnte man nun diesen kleinen, aber störenden Betrag wieder zurückbekommen? Einer deiner Bekannten ist Rechtsanwalt und neben einem Bier in einer Kneipe erzählst du ihm die ganze Sache, wobei du hinzufügst: „Ich hatte daran gedacht, dem Vermieter jeden Monat eine Kopie der Überweisung zukommen zu lassen und die Summe von der Miete abzuziehen.“ Mit dem Gefühl erfüllt gerecht zu handelt, lächelst du und denkst bei dir, dass man dich nicht so leicht übers Ohr hauen kann.
Wie ein Besserwisser verzieht der Bekannte skeptisch den Mund, er hatte schon lange darauf gewartet, eine Probe seiner Kunst zum Besten zu geben: „Dazu hast du kein Recht! Du darfst diese Summe nicht von der Miete abziehen. Du kannst die Überweisungen sammeln und wenn sie fünfhundert Euro erreicht haben, gehst du zum Gericht, um Anzeige zu erstatten. Das Gericht beschäftigt sich nämlich mit geringeren Beträgen nicht.“ Kurz rechnest du: fünfhundert geteilt durch sechs ergibt dreiundachtzig Komma sechs Monate, rund sieben Jahre. „Nach fünf Jahren verjährt die Schuld.“ – fügt der juristische Ratgeber hinzu. Natürlich bemerkt er die Enttäuschung in deinem Gesicht. „Eine Handlung darf den rechtlichen Gang der Dinge nicht beeinträchtigen.“ Einen Moment lang findest du keine Worte, weil es dem wohlklingenden Spruch, der dir in der Schule immer wieder eingetrichtert wurde: „Der Staat bist du!“ widerspricht. Es gibt anscheinend einen gewaltigen Unterschied oder gar Widerspruch zwischen „rechtlich“ und „gerecht“. Dir bleiben zwei Möglichkeiten: Ausziehen, oder das nächste Mal niemandem trauen! Auch dem Staat traue nicht, weil er nur deine Steuern will!

Er hatte sie nach zehn Jahren Bekanntschaft geheiratet, weil er davon überzeugt war, dass sie die Richtige sei. Zur ganzen Wahrheit gehörte aber auch, dass er sie ein paar Mal in anderer Gesellschaft gesehen hatte, sie wusste nicht, dass er dort war, und sie hatte sich ganz anders benommen. Sie war einfach, wie die meisten Leute, ein Chamäleon. Es ist möglich, dass die Gesellschaft sonst nicht funktionieren würde. Ihre Familie war eigentlich ganz normal. Man akzeptierte ihn. Hatte man ihn gemocht? Eine schwere Frage, aber schließlich hatte er ja nicht mit ihren Verwandten zusammenleben wollen. Natürlich war er selbst kein Engel, hatte Fehler, doch hätte sie auch einen anderen wählen können. Oder hatte hier der Grundsatz gegolten, wo es kein Pferd gibt, muss man sich mit einem Esel aushelfen?
Nach zehn Jahren hatten sie geheiratet, dann kamen, wie geplant zwei Kinder, und noch ein Jahr später begannen die Probleme. Wer hier genau der Schuldige war, ist schwierig zu ermitteln. Aber was daraufhin kam, überstieg alle seine Erwartungen. Sobald er ausgezogen war, machte es ihm seine Ehefrau unmöglich, die Kinder zu sehen. Er wollte sie damit erpressen, dass er kein Kindergeld bezahlt, wenn er die Kinder nicht sehen kann. Sein Anwalt riet ihm davon ab, weil er Gefahr laufe, ins Gefängnis zu gehen und beim Scheidungsverfahren dann ganz sicher alle Möglichkeiten verliere, ein Besucherrecht zu erhalten. Also zahlte er.
In Anwesenheit der Anwälte beider Parteien einigte man sich darauf, ein Jahr mit der Verhandlung zu warten und nur ein Gesuch auf Trennung einzureichen, weil dies billiger sei und auch nicht sehr viel länger dauere. Das Erziehungsrecht bleibe natürlich bei der Mutter. Aber warum eigentlich „natürlich“? Das Gesetz gehe im Allgemeinen in die Richtung und die offiziellen Statistiken zeigen, dass fünfundachtzig Prozent der Urteilssprüche die Frau bevorzugen. Sind die Familienrichter fast alle Frauen und deshalb voreingenommen? Er machte sich darüber Gedanken, weil seine Frau auch diese Abmachung einfach nicht einhielt und ihn die Kinder weiterhin nicht sehen ließ. Sehen die Richterinnen das nicht? Aber die Gründe liegen anderswo. Wir leben leider noch immer in einer Macho-Gesellschaft, wobei ein Mann für die gleiche Arbeit mehr als eine Frau verdient. Unglücklicherweise helfen dabei auch Gesetze, die Frauen eigentlich schützen sollten, wie zum Beispiel der Mutterschaftsurlaub, usw. Diese Maßnahmen erhöhen natürlich die Kosten der Arbeitgeber. Es ist nicht genug, acht Stunden im Büro zu verbringen, wenn man Karriere machen und gut verdienen will. Für eine Frau mit Kindern ist das nicht möglich.
Wenn also das Gericht einem Mann die Kinder zugesteht, muss er mit seinem aufsteigenden Berufsleben aufhören. Die Frau, die mit der Geburt der Kinder fast alle Möglichkeiten auf Karriere verspielt hat, wird nie genug verdienen, um die beim Mann lebenden Kinder ausreichend zu unterstützen. Hier müsste der Staat finanzielle Beihilfe leisten und das versucht er natürlich, zu vermeiden.
Nach eineinhalb Jahren wurde dann endlich die Scheidung ausgesprochen und er hatte seine Kinder schon achtzehn Monate nicht mehr gesehen. Er brachte dies bei der Verhandlung zu Wort und bekam das Besucherrecht. Seine Exfrau wurde angewiesen, diese Vereinbarungen einzuhalten, was sie natürlich versprach, aber später wieder nicht tat. Sein Anwalt erklärte ihm, dass er auch weiterhin kein Recht habe, das Kindergeld zurückzuhalten, die einzige Möglichkeit sei, beim Kindergericht Klage einzureichen.
Drei Monate vergingen bis zur ersten Verhandlung. Seine Exfrau erschien nicht, deshalb wurde ein zweiter Termin ausgeschrieben. Auch dann glänzte sie nur durch Abwesenheit. Zum dritten Termin, nach insgesamt neun Monaten enthielt ihre Vorladung die Aussicht auf eine Geldstrafe. Die Höhe der Summe belief sich auf den monatlichen Kinderunterhalt, den er zahlte, wurde aber natürlich nicht ihm als Geschädigten zugesprochen, sondern floss in die Staatskasse. Bei dieser Verhandlung wurde seine Exfrau wiederholt aufgerufen, den Vater seine Kinder sehen zu lassen. Auch weiterhin kam sie dieser Verpflichtung nicht nach. Er hatte seine Kinder schon einundzwanzig nicht besuchen können, aber den Geldbeutel des Anwalts gefüllt. Nebenbei war dieser nur dann bereit gewesen, ihn zu vertreten, wenn er bar und ohne Rechnung bezahlte, weil die Frau als für schuldig Befundene zwar verpflichtet war, aber nicht fähig gewesen wäre, die Verhandlungs- und Anwaltskosten zu tragen.
Der Vater wollte nicht aufgeben und ging in die nächste Runde. Wiederum wurde Klage eingereicht. Bis zur ersten Verhandlung vergingen drei Monate, wobei er seine Kinder schon seit zwei Jahren nicht gesehen hatte. Er wusste nicht, ob sie sich überhaupt noch an ihn erinnern würden. Manchmal ging er auf den Spielplatz in der Nähe, seine Exfrau machte dann immer ein großes Theater, nahm die Kinder auf die Arme, die natürlich das Gefühl hatten, dass es hier eine Stress-Situation gab und anfingen, zu weinen. Es war ihm nicht bekannt, was sie den Nachbarn erzählt hatte, aber die sahen ihn mit zornigen Blicken an, sobald sie ihn erblickten.
Zweite Verhandlung ohne sie. Dritte Verhandlung – Aussicht auf Geldstrafe, deshalb erschien sie. Seiner Klage wurde stattgegeben, das bedeutete „das Recht, die Kinder zu sehen“. Er fragte den Anwalt, wie er diesem Recht Gültigkeit verschaffen könnte. „Mit der Polizei“ – lautete die kurze Antwort. Als er nach mehreren Versuchen wirklich mit der Polizei erschien, war die Überraschung groß, die anwesende Schwiegermutter beschimpfte ihn. Die ganze Szene dauerte zehn Minuten, weil er einsehen musste, dass das besonders für die Kinder eine Qual war. Die Polizisten hatten verunsichert zugesehen. Einer erzählte ihm, er habe so einem Schauspiel schon ein paar Mal beigewohnt, sei selbst in der gleichen Situation und wisse – „Du hast keine Chance!“
Tagelang fühlte er sich miserable, wusste, dass er eigentlich verloren hatte. Immer wieder las er die Urteile des Gerichts. „Im Interesse des Kindes“ – hieß es da.
Wie sollte die Geschichte enden? 1) Er zahlte zwanzig Jahre lang, sah seine Kinder nie wieder, weil sie ihn auch nicht besuchten. Man hatte ihnen eingetrichtert, dass ihr Vater sich nicht für sie interessiere. 1a) Jahre später lernte er eine andere Frau kennen, aber da er finanziell am Ende war, konnte er eine neue Familie nicht finanzieren. 1b) Frauen kamen und gingen in seinem Leben, aber er lebte nie wieder mit einer zusammen. 2) Nachdem er ein paar Monate nicht bezahlt hatte, wurde er vor Gericht gestellt. 2a) Er bezahlte auch weiterhin nicht und wurde wie ein Krimineller zu Freiheitsentzug verurteilt. 2b) Er verschwand im Ausland, bevor man ihn hätte einsperren können.
Gibt es denn kein glückliches Ende der Geschichte? – stellt der an Hollywoods Happy End gewöhnte Leser seine Frage. Schau dich um! – antworte ich ihm. Mach die Augen auf! Das Leben ist wunderschön, aber nicht gerecht!
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Monday, 20 June 2016


170) 1) Sprachen 2) Tunwörter (Verben) und ihr Fall (casus)
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170
1) Sprachen 2) Tunwörter (Verben) und ihr Fall (casus)
Sprachen
Wörter? Ob ein Tisch nun table, mesa, стол, oder asztal genannt wird, ist eigentlich ziemlich unwichtig, damit lässt sich höchstens die Herkunft des Wortes oder der Sprache erkennen.
Eine Sprache besteht aus Aufbau, die Aufteilung der Begriffe in verschiedene Gruppen und ihre Platzierung innerhalb dieses Aufbaus.
Eine Hauptgruppe bilden die Verben, sie zeigen die Richtung der Handlung: zum Beispiel: „schreiben, laufen“, oder geben eine Aufforderung an: „Schreib! Lauf!“ oder die Zeitaufteilung: zum Beispiel: „schrieb, lief“.
Für die informale Form (Herr, Frau Müller) hat eigentlich (meines Wissens) keine Sprache eine eigene Form. Meist fällt diese mit den zweiten und dritten Personen (du, er, sie, ihr, sie) zusammen.
Durch Hilfsverben lässt sich dieses Spektrum noch erweitern: zum Beispiel: „wird schreiben, wird laufen“ drückt die Zukunft aus, oder: „hat geschrieben, ist gelaufen“ ist die Beziehung zur Gegenwart, oder: „was reading when suddenly the phone rang“ zeigt die Gleichzeitigkeit oder Unterbrechung einer Handlung durch eine andere, „had finished till arrived“ die Vorzeitigkeit, „ist gefahren (reisen), hat gefahren (selbst am Steuer sitzen)“ informiert darüber, ob eine Handlung auf etwas einwirkt oder allein besteht. Weiterhin kann es die Aufmerksamkeit des Zuhörers oder Lesers auf den Gegenstand lenken, auf den die Handlung einwirkt „ist gebaut, wird gebaut“.
Bevor wir zu den Sätzen kommen, wobei verschiedene Nebensätze in einigen Sprachen sogar über ihre eigene Konjugation verfügen, müssen diese Konjugationen zuerst behandelt werden. Hauptsätze wie „Ich wünsche, Ich möchte, Ich rate dir“ oder „Ich befehle dir“ ziehen einen Subjunktiv nach sich. Einige Sprachen besitzen dafür eine eigene Form (Subjunktiv) „Le dije que lo haga.“ andere benutzen den Konjunktiv, dritte erledigen dies mit einer Infinitivkonstruktion „I told her to do that.“ vierte mit Hilfe eines Modalverbes „Ich sagte ihr, dass sie das machen soll“.
Für die Möglichkeitsform wird ein Konjunktiv benutzt.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in der Aussageform, Gegenwart und Vergangenheit in der Möglichkeitsform und die Gegenwart bei der Aufforderung.
Eine weiter Änderung ergibt sich durch Modalverben, wobei vier Fälle zu erwähnen wären: 1) die Fähigkeit = können, 2) die Erlaubnis = dürfen, 3) die Verpflichtung = müssen und 4) der Wunsch = wollen. Es ist klar, dass es dies nur in der Aussageform und Möglichkeitsform, aber nicht in der Aufforderungsform gibt.
Verschiedene Sprachen verfügen weiterhin über impersonelle Formen: „Il faut que je fasse, Hay que hacer, opportet, Мне нужно сделать, Nekem kell valamit csinálnom”, oder der Beschreibung: „Es regnet”.
Natürlich bestehen noch viele andere kleinere Funktionen der Verben, die sich aber von Sprache zu Sprache sehr unterscheiden.

Tunwörter (Verben) und ihr Fall (casus)
„der, den, dem, des + s“, auf diese und ähnliche Weise ist der Gebrauch der Hauptwörter (Substantive) eingeteilt.
der = der Fall für den Namen, das Hauptwort erscheint in seiner Grundgestalt, zum Beispiel: der Stift, der Mann. Dazu gehören bestimmte Tunwörter: sein, geschehen, vergehen in erster Linie und natürlich: gehen, reisen, eintreten.
den = Jemand benutzt das Ding, das Ding wird benutzt, zum Beispiel: den Stift, oder: Jemand sieht den Mann, der Mann wird gesehen.
dem = 1) der Geben-Fall: Ich gebe, schicke, sende, schenke ihm etwas. 2) in welche Richtung-Fall: Das gefällt, schmeckt, gelingt dem Mann. Man hat das Gefühl, dass er etwas tut, wobei die Handlung nur in seine Richtung geht.
des+s = Ich bedarf deines Rates. Eigentlich: Ich bedarf, dass du mir hilfst / mir einen Rat gibst. Dieser Gebrauch ersetzt im Grunde genommen einen Nebensatz.
Der Präpositionsfall = Ich gehe in den Garten. Ich schreibe mit dem Stift. Ich helfe bei der Arbeit. Ich beginne mit dem Essen (Ich beginne, zu essen.)
Wir sehen, dass Tunwörter in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können, einige von ihnen auch zu verschiedenen Gruppen gehören, und manchmal sogar in demselben Satz.
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Friday, 17 June 2016


169) Das große Werk
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Das große Werk
Er hatte gerade seine Arbeit in der Fabrik beendet und wandelte gemäßigten, verträumten Schrittes nach Hause. Langsam schaltete sein Gehirn um, suchte die Brücke zu dem, wo er in der letzten Nacht aufgehört hatte und jetzt weiterarbeiten wollte. Seine Arbeitskollegen riefen ihn in die Kneipe zu einem Getränk, aber er wehrte ab. In den letzten Monaten hatte er sich ganz verändert. Er war fünfzig geworden und an seinem Geburtstag so betrunken gewesen, dass er danach drei Tage das Bett hatte hüten müssen.
Aber was machte er seit diesem Tag jeden Abend allein zu Hause? Er war geschieden, seine Kinder wollten nichts von ihm oder er nichts von ihnen wissen, er hatte es vergessen. Er arbeitete an seinem Lebenswerk. Etwas, ihn verewigen, überleben, nach ihm bleiben sollte. In Urzeiten wurden aus Helden Götter, später Legenden. Heute standen diese Leute in Geschichtsbüchern. Aber normale Leute wurden spätestens nach zwei bis drei Generationen vergessen. Dass er während seines Lebens unbekannt blieb, störte ihn nicht, weil er dann wenigstens seinen Alltag ruhig genießen konnte. Aber nach seinem Tod sollten alle erfahren, wen man an ihm verloren hatte.
Nach zehn Jahren Arbeit war er eigentlich gut vorangekommen. Natürlich gab es manchmal Höhen und Tiefen. Und jetzt sollte er bald in Rente gehen, dann könnte er sich ganz seinem Werk widmen, würde nicht durch Fabrikarbeit unterbrochen. Er ging nur noch unter die Leute, wenn er etwas einkaufen musste.
Für die meisten war er einfach ein Spinner. „Ja, alte Leute, die leben nur noch für sich, träumen von alten Zeiten, verstehen die neue Welt nicht mehr, aber wollen auch von ihr nicht verstanden werden. Die alten Jungfern rennen ständig in die Kirche, die alten Männer immer in die Kneipe.“ Aber was machte dieser hier? Die Jungen interessierte es nicht, sie waren sogar froh, wenn sie ihn sahen, weil er sich nicht mit ihnen beschäftigte, sie nicht störte. Und seine Zeitgenossen? Sie wurden immer weniger, starben langsam aus, hätten gern mit ihm gesprochen, doch er ging einfach an ihnen vorbei. Sie begannen schlecht über ihn zu sprechen, weil er sie aus seinem Leben ausschloss. Seine Welt war nicht mehr ihre. Er merkte nicht, wie er sich langsam vom Leben entfernte, verwahrloste ein bisschen, wusch sich seltener, verbreitete einen eigenartigen Geruch, aß unregelmäßig, versank in seinem Werk. Nach seinem Tod würde man es entdecken und würdigen.
Als er eines Morgens aufwachte, ein warmer herbstlicher Tagesanfang, vom Bett aus betrachtete er das Ergebnis seiner Arbeit. Es war fertig. Was würden sie damit machen, wenn sie es fänden. Sehr oft hatte er erfahren müssen, wie Dinge einfach weggeworfen wurden, weil sie für die Nächsten nicht mehr wichtig waren, weil sie darin das Werk nicht sahen, oder nicht sehen wollten, vielleicht nicht konnten. Er musste es schützen, vor unverständigen Händen und Blicken bewahren. Aber wie? Hatte er so lange daran gearbeitet, damit es jetzt verloren ging? Er würde es vergraben. Hinter seinem Haus im Garten. Und wenn die Menschheit einmal reif genug ist, es zu verstehen, wird sie es finden. Genauso wie man früher Gräber ausgeraubt hatte, aber heute ihre Schätze im Museum ausstellte.
Nachdem man ihn monatelang in keinem Geschäft gesehen hatte, brach die Polizei die Tür zu seinem Haus auf. Es stank fürchterlich. Nur noch die Knochen waren da. Keiner wollte die Bruchbude kaufen und so zerfiel sie langsam. In dem Dorf wollte sich niemand ansiedeln und so blieb alles unberührt.
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Sunday, 12 June 2016


168) Die Geschichte der Gleichheit
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Die Geschichte der Gleichheit
Der Pharao wandelte mit seiner kleinen Hofgesellschaft an seinem Grab vorbei. Eine große Leibwache brauchte er nicht, weil ihn alle für einen unsterblichen Gott hielten. Er herrschte über ungefähr hunderttausend Leute. Dies war genug, um seinen Hof zu unterhalten, ein kleines Heer aufzustellen und somit die Raubzüge der lybischen Nomaden im Westen und der semitischen Stämme im Osten abzuwehren.
Die Griechen waren anspruchsvoller. Fünfhundert wahlberechtigte Bürger, genauso viele Frauen, tausend Kinder und zweitausend Sklaven. Ohne diese ausgeglichenere Verteilung der Güter und die Eigeninitiative der einzelnen Bürger wäre die Erhaltung der Kolonien nicht möglich gewesen.
Bei den Römern ging es wieder ein paar Schritte zurück. eine riesige Zahl von Kolonien und Sklaven ernährten einige wenige gut und eine Schar Taugenichtse in Rom.
Das Mittelalter brachte es zu ein paar Kirchen im romanischen und gotischen Stil. Außer den höheren geistlichen oder weltlichen Würdenträgern befanden sich alle auf dem Existenzminimum mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von fünfunddreißig. Als Steuersatz galt „der Zehnte“. Mehr war aus den armen Leibeigenen nicht herauszupressen.
Mit der Festigung der Königreiche in Europa begann auch der Wettkampf zwischen ihnen. Die Kriege wurden immer teurer und die Möglichkeiten der Finanzierung waren begrenzt. Entweder verfügte man über völkerreiche Gebiete oder reiche Gold und Silberminen, wie die Spanier in ihren Kolonien. Andere Länder bauten Handelsstädte auch, zum Beispiel Venedig, Genua, Hamburg, Salzburg, Nürnberg usw., die höhere Steuern bezahlen konnten.
Die führte nun zur Entstehung einen Bürgertums, dem nicht mehr so leicht zu befohlen werden konnte. Der König oder Fürst war gezwungen, Zugeständnisse zu machen. Die Folge waren der Parlamentarismus in England und die Französische Revolution.
Die Sklaven waren anfangs als billige Arbeitskräfte für die Kolonien unentbehrlich. Aber nach der Verteilung der Ländereien in Arizona, New Mexiko und Texas behinderten sie die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft in den U.S.A. und mussten deshalb befreit werden. Dies geschah im amerikanischen Bürgerkrieg.
Die wirtschaftlichen Umstände waren natürlich noch nicht reif für eine vollständige Gleichberechtigung, vor allem weil auch normale Bürger und Frauen diesen Grad noch nicht erreicht hatten. Immer kompliziertere und wechselhaftere Industriezweige benötigten ausgebildete und mobile Arbeitskräfte, und der Staat noch mehr Geld. Sollten aber die Bewohner eines Landes höhere Steuern bezahlen, dann mussten sie auch mehr verdienen, der Binnenmarkt musste aufgebaut werden.
Der Markt bedeutet nicht nur produzierende Industrie und Luxusgüter, sondern auch Konsumgüter für weniger vermögende Schichten. Umso mehr der Staat auch dieser Bürger bedurfte, erzwangen sie sich das Wahlrecht. Danach ging es Schlag auf Schlag, zuerst die Frauen, die Schwarzen und heute Kinder. Eine Industrie könnte ohne diese Käuferkreise nicht mehr existieren. Ein Blick auf ein Einkaufszentrum im Stadtinneren zeigt uns die Hauptzielgruppe: Jugendliche zwischen zwölf und zweiundzwanzig Jahren.
Was wird wohl der nächste Schritt? Im Laufe der Geschichte waren es immer die Klassen, die gerade die Gleichberechtigung für sich erreicht hatte, welche einen Aufstieg der unter ihnen liegenden Schichten zu verhindern suchte. So ist es bis heute geblieben. Der Pöbel hat Angst, niemanden zu haben, den er treten kann. Das heißt heute Ausländerhass. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es noch fünfeinhalb Milliarden Arme in den Entwicklungsländern gibt. Ein neuer Markt für wirtschaftliche Entwicklung und die Hoffnung für diese Leute in der Zukunft einmal gleichberechtigt zu sein.
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Sunday, 5 June 2016


167) Liebe in alter Mode
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Liebe in alter Mode
Noch schnell ins Blumengeschäft, eine rote Rose. In seinen Ohren klang ihm das Lied von Heino „Schenk ihr eine rote Rose“. Er war ein bisschen aufgeregt, hatte er sie doch nicht, wie seiner Zeiten, am Arbeitsplatz, auf einer Hochzeit oder durch ein Heiratsinstitut kennengelernt. Diese Firmen waren alle bankrottgegangen, als das Internet kam und die neuen nannten sich nur „Partnersuche“. Dort gab es keine hübsche Beraterin, die einem Tipps zuflüsterte, was man schreiben sollte, um im besten Licht zu erscheinen. Jetzt musste man selbst nachdenken. Dann wurden zehntausend elektronische Nachrichten ausgetauscht, sogenannte Emails. Hier lernte er schreiben, wie Cyrano de Bergerac, wusste eigentlich schon alles über sie, hatte auch tausend Mal gelogen. Tja! Wie überredet „Mann“ „Frau“? Das kostete Nerven, Zeit, Energie. Sie hatte zwar ein Foto geschickt, aber das war natürlich keine Garantie, wahrscheinlich genauso aufgearbeitet, wie sein eigenes.
Es war Winter und die Rosen im Geschäft kamen mit dem Flugzeug aus Afrika, die war noch immer billiger, als sie hier im Glashaus zu züchten. Auch er hatte schon ein paar Mal seinen Arbeitsplatz wechseln müssen, weil in Entwicklungsländern billiger gearbeitet wurde, oder ein Einwanderer für einen niedrigeren Lohn bereit war, die Aufgaben zu übernehmen. Diese globale Welt gefiel ihm nicht. Jetzt war er fünfzig und musste sich ständig weiterbilden. Jeden Abend saß er nach der Arbeit zu Hause und lernte Englisch oder etwas Neues auf seinem Fachgebiet. Warum musste er eine andere Sprache lernen? War nicht die Deutsche die schönste, ausdrucksreichste und schwerste auf der Welt?
Er wählte eine schöne, große Rose mit einem langen Stil. Noch schnell eine Zigarette und dann ein Kaugummi. Zu seiner Jugend war das Rauchen noch männlich. Marlboro-Werbung: Ein Cowboy auf seinem Pferd und vor ihm die weite Prairie. Zehn Minuten vor der verabredeten Zeit traf er dort ein. Er hatte gedacht, dass der von ihr vorgeschlagener Platz ein ruhiger Ort sei, aber hier standen schon einige Leute. Zerrissene Jeans, Mädchen fast im Bikini, ein farbiges Durcheinander. Doch eines hatten sie alle gemein, sie waren jünger als er und in ihren Händen trugen sie ein Handy, entweder um etwas zu lesen, oder um etwas zu schreiben oder spielen. Er zog seinen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heraus, den er noch hatte lesen wollen.
Aber warum hatte er ihn eigentlich aus der Tasche gezogen? Er wusste genau, dass er sich jetzt nicht darauf konzentrieren konnte. Vielleicht, um nicht zu sehr den Eindruck zu erwecken, dass er doch auf sie wartete. Ein Blick auf seine teure Armbanduhr verriet ihm, es war noch nicht so weit. Er hielt die Rose fest und fühlte die Dornen. Warum musste so ein schönes Ding so stachelig sein? Wer leidet wohl mehr, die Rose, die ihre Anbeter durch die Dornen fernhält, oder die Anbeter, die sich daran stechen? Wahrscheinlich beide gleich viel, nur anders.
Jetzt bemerkte er auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes eine Person, die der glich, auf die er wartete. Es musste sie sein, weil die besprochenen Kennzeichen, in seiner Hand Rose und Zeitung, in ihrer Hut, darauf hindeuteten. Sie war ziemlich pünktlich, nur drei Minuten zu spät, das war nichts. Eine ihrer positiven Eigenschaften, oder nur die Wichtigkeit des Treffens? Es würde sich herausstellen. Er gab ihr noch keinen Kuss auf den Mund, sondern nur einen auf die linke und rechte Backe, dabei legte er die Hand leicht um ihre Hüfte und zog sie zärtlich näher. Sie wehrte nicht ab, ließ sich führen. Dann überreichte er die Rose. Das Papier um den Stil war ein bisschen gerötet, deshalb nahm sie schnell zwei Taschentücher hervor, eines für die Rose und mit dem anderen behandelte sie seine Hand.
Die ersten Worte waren gewechselt, die ersten Berührungen ausgetauscht, besser hätte es nicht laufen können. Als Programmpunkt für den Abend hatte er eigentlich an ein Konzert oder Theaterstück gedacht, doch dies hatte sie abgelehnt, weil sie meinte, dass es später noch viele Gelegenheiten geben würde, an denen man sich weniger zu sagen hätte und erst wieder neue, gemeinsame Erlebnisse sammeln müsse. Er führte sie also auf ihren Wunsch in eine kleine, gemütliche Gastwirtschaft. Es war auch nicht so teuer, weil sie als moderne Frau darauf bestanden hatte, die Hälfte der Rechnung zu begleichen. Zudem war es offensichtlich, ihren Arbeitsplatz beurteilend, dass sie mehr als er verdiente. Der Kellner kam, brachte die Speisekarte und wand sich ihr zu. Ein leichter, trockener Weißwein. Er stimmte zu. Natürlich trat hier sofort das nächste Problem auf: Was sollte er dazu essen? Sie bestellte Fisch mit Reis und Gurkensalat, er nickte nur. An diesen Kulturschock musste er sich erst gewöhnen. Kein Bier, kein Schnitzel mit Pommes, kein Schnaps danach, und vor allem keine Zigaretten. Was für eine Welt!
Sie verstand auch nichts vom Fußball, sah sich lieber Tennis an, nahm drei Mal in der Woche an einer Aerobic-Stunde teil. Ein bisschen moderne Malerei und Esoterik, Mozarts Don Giovanni im Porsche mit Donna Elvira im Bikini, „Sauls Sohn“ musste man gesehen haben, sie war „up to date“. Er würde sich in diese Richtung weiterbilden müssen und seine Halbkultur durch eine andere ergänzen. Sie merkte, dass er nicht zur gleichen Gesellschaftsschicht gehörte, nicht die gleichen Kreise frequentierte. Jede Zeit hatte seine eigenen Symbole. Zur Zeit seiner Mutter waren es Moped, Elvis und Miniröcke gewesen. Die Frau, die jetzt vor ihm saß, wäre in fünfzig Jahren ein Clown. Nur der Fußball und Bier schien ihm ewig.
Nach dem Abendessen ein Spaziergang durch den Park um den kleinen, künstlichen See, besser als am Flussufer entlang, weil es hier wenigstens keine Stechmücken gab. Die leichte Jacke trug sie über die Tasche gehängt, so dass die Schultern und die Haut über den Busen freilagen. Das dünne Kleidchen lag eng an. Die Schultermuskulatur schon ein bisschen eingefallen, um die Hüfte nur ein paar Kilo zu viel, der Hintern mehr platt und die Haut porig, aber für ihr Alter noch ganz in Ordnung. Das passte zu seiner flachen Brust, dem kleinen Bierbauch und den dünnen Armen. Sie gefielen sich.
Warum brauchten sie einander? Vielleicht mehr, um das Wochenende und den Urlaub nicht allein verbringen zu müssen. Sie besprachen noch das nächste Treffen. Spät brachte er sie zu ihrem Auto und ging zu Fuß nach Hause.
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