177) II) Guten Morgen
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177
II Guten Morgen
Im Sommer machte er einen
Urlaub mit seiner türkischen Freundin in ihrem Vaterland. Hier hieß es
wirklich Vaterland, weil sie ja erst in Deutschland geboren wurde. Man
besuchte ihre Familie und Verwandten, die nicht gerade zu den Ärmsten
gehörten. Nach dem Aufenthalt erzählte sie ihm, dass sie eigentlich nicht
gern dorthin fuhr, weil sie nicht wusste, ob ihr Großvater nicht vielleicht
einen türkischen Mann für sie gefunden hätte. Jetzt verstand er, warum sie
während des Besuches keinen Zentimeter von seiner Seite gewichen war. „Die
Gesellschaft ist hier noch schlimmer als in Deutschland.“ Sie lachte: „Ich
gliedere mich gern in Deutschland ein, weil das für mich die einzige
Ausbruchsmöglichkeit ist!“ – „Vielleicht werden deine Kinder das nicht mehr
so sehen und auch so unzufrieden sein, wie ich.“ – „Möglich. Aber was willst
du machen? Die Europäische Union, Nordamerika und Australien sind für
Mädchen, wie mich, ein freies, großes Gefängnis. Wobei auch dort nur die
Städte zum Leben geeignet sind, weil die Leute auf dem Land zwar keine
islamischen, aber christliche Fanatiker sind.“ – „Die Frage ist nur, wie sehr
die Männer, die Herren der Harem in konservativen, religiösen Ländern, mit
ihrer Position zufrieden sind. Wenn sie einer Frau zum Beispiel den Kitzler
herausschneiden lassen (Die Männer machen das natürlich nicht selbst, sondern
alte Frauen erledigen das für sie.), damit sie weniger einen Orgasmus hat,
und deshalb treuer sei, oder sie wie ein Vogel im Käfig halten, nehmen sie
sich selbst das Vergnügen, beim sexuellen Akt das Gefühl zu haben, ein richtiger
Hengst zu sein, weil die Frau den Orgasmus nur imitieren kann.“ – „Vielleicht
wollen sich selbst bestrafen. Wie die Christen im Mittelalter, für die das
Irdische ein Jammertal war und das wirkliche Leben erst nach dem Tod
beginne.“
Als sie das sagte, lächelte
sie. „Warum machen die Frauen dort keinen Aufstand? Warum hat deine Mutter
nicht rebelliert?“ – „Sehr viel kann ich mit ihr über diese Dinge nicht
sprechen, weil sie sehr verschlossen ist. Aber ich glaube, dass sie einfach
Angst vor der Freiheit und den damit verbundenen Möglichkeiten hat.“ – „Das
musst du mir erklären.“ – „Du bist damit aufgewachsen, wählen zu müssen.
Schon als Baby musstest du entscheiden, welchen Brei du bevorzugst. Bei mir
war das anders. Es gab nur einen. Erst als ich in die Schule kam, stellten
sich mir diese Fragen. Lerne ich lieber Mathematik oder Literatur? Ich
brauchte sehr lange, das Wort ‘wollen‘ sowohl im Deutschen, als auch im
Türkischen, zu verstehen.“ – „Ich will, also bin ich.“ – „Haha! Der
philosophische Grundsatz des einundzwanzigsten Jahrhunderts.“ – „Und jetzt
kämpfst du an drei Fronten. Auf der einen Seite deine eigenen Leute, die dich
hindern möchten, auf der anderen die deutschen Rassisten, die dich
wegschicken wollen, und zuletzt du, um dich selbst zu überwinden.“ –
„Ungefähr! Und du, mein Lieber, kannst mir dabei nicht helfen, weil diesen
Kampf jeder für sich selbst ausfechten muss.“ – „Wenn einem Freiheit so
einfach gegeben wird, kann man wahrscheinlich zuerst damit nichts anfangen.
Man fühlt sich verlassen, allein gelassen und sehnt sich nach Führung, nach
einem Tyrannen.“ – „Richtig! Das ist der Grund, warum viele Frauen sich einen
Macho suchen, oder rechtsgerichtete, konservative Parteien wählen. Ein Führer
nimmt ihnen die Last ‘Die Qual der Wahl“ von den Schultern und gibt ihnen das
Gefühl der tatenlosen Sicherheit. Wenn etwas passiert, ist es doch nicht ihre
Schuld. Verantwortung ist für sie eine unerträgliche Last.“ – „Wie viele
Generationen vom Ägypter, der glaubte, dass sein Leben mit dem Tod des Pharaos
endet, bis zum selbstbewussten, verantwortlichen Liberalen, der sich auch
gleichzeitig noch selbst so im Griff hat, anderen nicht schaden zu wollen.
Und dazu keine Gesetze mehr benötigt.“ – „Du Träumer! Dort sind wir noch
lange nicht. Im Kommunismus versuchte man, die Leute zu erziehen. Das
fehlgeschlagen. Oder vielleicht kam es zu früh. Der Überlebenskampf macht
manchmal Gruppen nötig. ‘Gemeinsam sind wir stark“, sagen sie.
Individualismus oder anders zu sein, ist ihnen verhasst. ‘Gemeinsam‘! Das führt
wieder zum Nationalismus.“
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Tuesday, 26 July 2016
Thursday, 21 July 2016
176) I) Guten Morgen
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176
I) Guten Morgen
„Guten Morgen!“ – klang es
aus dem Radio, das sich durch die Weckfunktion automatisch eingeschaltet
hatte. Unser Held erwachte und warf ein Kissen in Richtung der Stimme, worauf
es vom Tisch fiel und verstummte. Er hatte vergessen, die Weckfunktion abzustellen,
es war nämlich ein Feiertag.
So ein Tag ist eigentlich
frei, das sollte grundsätzlich bedeuten, dass nicht gearbeitet wird. Zu
diesen Gelegenheiten blieb er länger im Bett, zu Mittag zu seinen Eltern, am
Nachmittag zur Oma. Am Abend war er dann genauso müde, wie nach einem
Arbeitstag. Zu viel gegessen, wodurch er auch noch schlecht schlief.
Zusätzlich musste er sich
für heute wieder eine Ausrede für seine Oma ausdenken, warum seine Freundin
nicht mitgekommen sei. Seine Eltern wussten, dass sie schon vor einem halben
Jahr ausgezogen war, aber seiner Großmutter konnte er das nicht erzählen.
Auch seine Mutter, die in dem Mädchen schon ihre Schwiegertochter gesehen
hatte, verstand ihn nicht. „Das Mädchen will geheiratet werden und eine
Familie gründen. Stell dir vor, dein Vater hätte mich nicht geheiratet! Dann
wärest du jetzt nicht da.“ Die Reaktion seines Vaters war bei so einer
Gelegenheit immer ein peinliches Lächeln. Wenn er als Kind manchmal mit
seinem Vater zum Angeln fuhr, merkte er, dass der alte Herr mit einem Kind
eigentlich nichts anfangen konnte. Seine Mutter hatte ihn in die Kirche
geschleppt und geheiratet. Grundsätzlich bestimmte er nichts in seinem Leben.
Großmutter und Mutter, also die Ehefrau und Schwiegermutter seines Vaters,
waren keine Hausdrachen, aber sie wussten, was sie wollten. Und der Vater
ließ sich führen. Es war für ihn schlicht einfacher. Es waren auch diese zwei
Frauen gewesen, die ihn in ein Amt gesteckt hatten, in dem er den richtigen
Chef gespielt und bis zu seiner Rente fast vierzig Jahre lang wöchentlich
genau vierzig Stunden gearbeitet hatte, keine Minute länger oder weniger.
Mittwochs und samstags sah er sich die Bundesligaspiele an, oder regte sich
über die Ausländerpolitik der sozialistischen Regierung auf. „Diese Einwanderer
machen noch unsere Kultur kaputt!“
Als unser Held den
Militärdienst verweigerte und stattdessen Zivildienst machte, wurde das dem
Vater und er Großmutter nicht mitgeteilt, weil dies eine Familientragödie
verursacht hätte. Der Großvater hatte nämlich in der Waffen SS gedient.
Es gab noch viele andere
Dinge, die er ihnen nicht erzählen konnte. Zurzeit traf er sich mit einem
Mädchen türkischer Abstammung. Die hatte fast die gleichen Probleme mit ihrer
Familie.
Als er jetzt so da lag, im
Bett, und über seine Überlebenschancen für den heutigen Tag nachdachte,
fühlte er sich miserabel, wie meistens an solchen Tagen, an denen er aus
Rücksicht auf die Gefühle der Älteren, eine Komödie spielen musste. Gab es
denn keine Möglichkeit auszubrechen? Er hätte am liebsten alles stehen und
liegen lassen, um nicht weiter mit diesen Lügen leben zu müssen.
Und das war nun erst die
Familie. Mit den Leuten in seiner Umgebung stand es nicht viel besser. Alles,
was neu oder anders aussah, war für sie fremd und zu verurteilen. Er hatte
schon in seiner Kindheit gerne lange Haare getragen, vor allem, weil er den
null-acht-fünfzehn Schnitt des Dorffriseurs verabscheute. Der Dorfzahnarzt,
der wahrscheinlich auch irgendeine wichtige Figur während der Hitlerzeit
hätte sein wollen, fragte ihn dann mit dreizehn, ob er denn ein Junge oder
ein Mädchen sei. Als er sich mit siebzehn auf einer Party von seinen
Klassenkameraden einen Punkerschnitt machen ließ, wurde er ganz
ausgeschlossen.
Homosexuelle waren auch für
ihn etwas Seltsames, aber er begann, zu verstehen, was diese Leute ausstehen
mussten, weil sie anders waren. Oder wollten sie anders sein? „Wenn du etwas
werden willst, oder auch nur akzeptiert werden willst, musst du dich in die
Reihe stellen und darfst nicht auffallen.“ – gab man ihm zu verstehen.
Eigentlich war er wie alle anderen auch, vielleicht ein bisschen ehrlicher zu
sich selbst, jemand, der nicht versuchte, sein eigenes Ich zu verneinen,
sondern verschiedene Richtungen ausprobieren wollte, bis er das Richtige
gefunden hatte, jemand der nicht einfach alles kritiklos übernehmen wollte,
sondern Fragen stellte. Ja, er stellte alles in Frage, das war sein Fehler.
Solche Leute werden entweder groß, oder kaputtgemacht. „Ein Körper kann nur
funktionieren, wenn alle Teile ihre Aufgabe erfüllen, jeder Auswuchs ist ein
Krebs und muss entfernt werden, bevor er den Organismus angreift.“ Hatten
denn diese Leute nie über Darwin und seine Lehren gelesen. „Mutation und
Selektion ergibt Evolution.“ Nicht jede Veränderung ist gut, aber eine Gesellschaft,
die auf den Mond fliegt und Weltall erobern will, benötigt und müsste es sich
leisten können, neue Elemente aufzunehmen und zu verarbeiten. Ohne den
homosexuellen Michelangelo und dem jüdischen Einstein würden wir noch heute
auf den Bäumen sitzen. Und ohne Hitler, Horthy und Nero müssten wir nicht,
dass wir uns auch vor uns selbst schützen müssen. Es ist ein Witz der
Geschichte, dass gerade die Anhänger der Tyrannen am lautesten schreien und
Schutz fordern. Vor wem? Natürlich vor ihnen! J
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Sunday, 17 July 2016
175) Der schreckliche Gegner
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175
Der schreckliche Gegner
Schnell ging er nun um die
Ecke. Sicher! Oder? Er hörte noch immer die Schritte, die ihm gefolgt waren.
Eigentlich nicht erst in den letzten Minuten. Schon seit Wochen und Monaten.
Deshalb hatte er wieder
begonnen, verschiedene Kampfsportclubs zu besuchen. Aber dadurch war sein
Gefühl nur verstärkt worden.
Er spitzte die Ohren, alles
war still, er ging weiter. Wieder hörte er die Schritte. Männerschritte. Er
würde ihn jetzt stellen, dazu zwingen, zu sagen, was das alles sollte, am
Ende Kampf. Er versteckte sich hinter einem Mauervorsprung und wartete. Die
Sekunden erschienen ihm wie Minuten, Stunden.
Jetzt sprang er hervor, vor
ihm war der Gegner. Beide schienen sie zum Kampf bereit. Der andere machte
einen schnellen Schritt nach vorne links, aber unser Held reagierte im
gleichen Moment. Wie bei einem Schachspiel, die bessere Position, bringt
entscheidende Vorteile. Das Gewicht genau über dem Körperschwerpunkt bei
geraden Schlägen, beim Nahkampf lieber auf dem ersten Fuß.
Sein Gegner war größer als
er, hatte längere Arme, deshalb musste er versuchen, näher an ihn
heranzukommen. Beide reagierten auf das kleinste Zucken des Oberkörpers, der
Schultern. Die Augen waren starr, das Gesicht ausdruckslos, nur absolute
Konzentration. Wer würde wann und wie angreifen? Jeder Muskelfieber gespannt,
sich umdrehen und weglaufen waren jetzt für keinen mehr möglich.
Er wusste, dass er mit einem
schnellen Duck an ihn herankommen konnte, wenn der andere schlug. War es nur
ein Täuschungsmanöver, und würde er sich ducken, hätte der andere die
Möglichkeit einen entscheidenden Tritt mit dem Fuß einzubringen.
Und dann ging es
blitzschnell, der andere war anscheinend ein Anfänger, ohne Vorarbeit mit der
linken Vorhand, seine rechte Schulter zuckte, das hätte ein riesiger Schlag
werden sollen. Er lehnte sich leicht nach vorn, dem Schlag entgegen, legte
den Kopf zehn Zentimeter nach links, hob kurz den linken Fuß, nur fünf
Zentimeter und kam so dem anderen fast vierzig Zentimeter näher. Das genügte,
um zuerst einen Linkshacken in die unterste Rippe anzubringen, worauf der
andere vor Schmerz die Arme ein bisschen senkte und sein Gesicht ganz offen
lag.
Beim Linkshacken war
natürlich diese Schulter ein bisschen nach vorne und die andere nach hinten
gewandert, so dass er in einem sechzig Grad Winkel zum Gegner stand. Wie ein
Schmiedehammer schnellte nun seine rechte Faust in Richtung des freiliegenden
Gesichts des anderen. Alles lief so rasch ab, dass seine eigenen Augen nicht
fähig waren, dem Geschehen zu folgen. Er war schneller als sein eigener
Schatten gewesen. Wie beim Training! Jede einzelne Bewegung war in ihm drin,
er hatte nicht einmal darüber nachdenken müssen.
Klirr! Der Spiegel ihm
gegenüber zersplitterte in tausend Teile. Ein Glücksgefühl erfüllte ihn. Er
hatte sich selbst besiegt!
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Thursday, 14 July 2016
174) Wahr und Recht
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174
Wahr und Recht
Die Sonne hatte die Kuppen
der angrenzenden Bergkette erreicht und schien rötlich über die Ebene. Eine
Kutsche fuhr langsam über den humpeligen Weg entlang, bis sie einen Mann
erreichte. Er bewegte sich mäßigen Schrittes, ohne die geringsten Anstalten
den Weg freimachen zu wollen. Mehrmals rief ihm der Kutscher zu. Der hohe
Würdenträger in der Kabine schaute aus dem Fenster. Er langweilte sich und
befahl dem Wagenführer, den Wandernden in die Kabine einzuladen. Jener stieg
vom Kutschbock und sprach den auf dem Weg an. Er war schon lange gegangen,
betrachtete den Kutscher einen Moment mit müden, aber grimmigen Augen,
schritt dann mit jenem zur Tür und stieg ein. Zuerst machte er sich Platz,
bevor er seinen Gastgeber anblickte. Der Unterschied war auffallend, der eine
reich, der andere dürftig bekleidet. „Woher und wohin, mein Herr!“ – „Woher
weiß ich, wohin ist mir unbekannt.“ Der an unterhaltsame Gesellschaft
gewohnte Kutschenbesitzer war schon drei Stunden ohne Begleitung gereist und
da er jetzt endlich nicht mehr allein in der Kabine saß, wollte er es mit
dieser kurzen Antwort nicht erledigt wissen. „Hmm, gut, dann erzählen Sie mir
über das Woher!“ – „Ich bin nicht überzeugt, ob meine Geschichte sehr
befriedigend sein würde.“ – „Ich will sie hören.“ – lautete die Erwiderung.
„Mein Vater war ein tapferer Ritter und auch ich selbst kämpfte an der Seite
meines Königs. Als Dank für meine Dienste und Treue gab er mir Ländereien mit
ein paar Dörfern. Aber dann kam ein anderer König, der mir diese wieder nahm
und …..“ – „Und?“ – „Haha! Er gab sie dir!“ – „Ich weiß! Wieder ist Unruhe im
Land.“ – Mein König kommt zurück und dann vergesse ich deiner nicht, wenn ich
dich si wandern sehe.“ – „Du hast Humor.“ – „Vielleicht ist ein einfacher Bauer
besser dran, als wir, weil er nicht von so hoch fallen kann.“ – „Ich sehe
eine Zeit voraus, in der jeder nach seinen Fähigkeiten beurteilt wird, in der
wir keine Füße mehr küssen müssen, um anerkannt zu werden. Es ist natürlich
noch ein weiter Weg bis dorthin, noch ein paar hundert Generationen. Deshalb
schlage ich dir vor, dich bei mir bis zum Machtwechsel zu verstecken und gut
zu leben. Dann müssen wir nur aufpassen, dass die Bauern das System nicht
stürzen.“ – „Ich nehme dein Angebot an, weil ich sehe, dass wir noch immer
nichts gelernt haben und lieber abwechselnd Füße küssen.“ – „Vielleicht haben
wir auch einfach Angst, dass so ein dummer Bauer besser sein könnte, als
wir.“
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Monday, 11 July 2016
173) Gemeinsames Einverständnis
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173
Gemeinsames Einverständnis
Wenn das Englische erlernt
werden soll, kommen Lehrer und Lerner aus verschiedenen Ländern
unterschiedlicher Sprachen und versuchen, einen Weg zu finden, wie man sich
diese Weltsprache aneignen könnte. Sie setzen sich zusammen, um ihre
Vorstellungen auszutauschen. Langsam entsteht ein gemeinsames Einverständnis
darüber, wie diese am besten zu unterrichten und erlernen sei. Bei Sprachen,
die weniger im Rampenlicht stehen, fehlt dieser Gedankenaustausch. Sehr oft
halten die Muttersprachler jener Kulturkreise ihre Kommunikation für etwas
Besonderes und denken, dass ihre Sprache ganz anders funktioniere, viel
schwieriger sei, als die anderer Länder.
Hier ein kleines Beispiel:
Es gibt drei Hauptsatzarten: 1) die Aussage: Ich spiele Tennis. 2) die
Aufforderung: Mach deine Hausaufgabe! 3) die Frage: 3a) die Satzfrage: Kommst
du heute? 3b) die Wortfrage: Wann kommst du heute?
Werden diese Hauptsätze in
die indirekte Rede eingebaut, ergibt sich: 1) Er sagt ihr, dass er Tennis
spielt. 2) Er sagt ihr, dass sie ihre Hausaufgabe machen soll. 3a) Er fragt
sie, ob sie heute kommt. 3b) Er fragt sie, wann sie heute kommt.
Einige
Möchte-gern-Sprachwissenschaftler nennen nun hier noch eine andere
Hauptsatzart, den Wunsch- oder Begehrenssatz: Wärest du doch nur hier! Wenn
du doch nur hier wärest! Wie sollte jetzt so ein Satz in die indirekte Rede
eingebaut werden? Entweder zuckt man mit den Schultern und sagt, dass es
nicht möglich ist, oder vergleicht es mit anderen Sprachen, zum Beispiel dem
Englischen: I wish you were here! Es heißt da: Ich wünschte, dass / wenn du
doch hier wärest. Somit ist also bewiesen, dass der letztgenannte kein
Haupt-, sondern ein Nebensatz ist. Ein weiterdenkender Lehrer würde also den
Lernern erklären, dass es sich hier um einen Nebensatz handelt, wobei der
Hauptsatz im Gesprochenen, weil es klar ist, um wen es geht, weggelassen
wird.
Auch andere
Sozialwissenschaften profitieren von dieser Technik des Vergleichens und
gemeinsamen Einverständnisses. Bei einigen Ländern geht es zum Beispiel in
der Geschichtswissenschaft ein bisschen langsamer. Sie bleiben deshalb hinter
dem internationalen Standard zurück. Die Chinesen lernen in der Schule, dass
die ersten Menschen nicht nur in Äthiopien entstanden, sondern sich auch in
China aus Indien gekommenen Affen entwickelt haben sollen. Oder die Ungarn,
die einfach die Tatsache nicht akzeptieren wollen, dass es zwischen der
Schlacht bei Mohács 1526 und den Friedensverträgen von Trianon 1920 kein
Ungarn gegeben hat. Ihnen wurde dort ein souveräner Staat gegeben, den der
Faschist Horthy dann auch sofort in den zweiten Weltkrieg an der Seite
Hitlers führte. Hier ist wahrscheinlich noch sehr viel Zeit nötig, bis die
Ungarn mit ihren Nachbarn zu einem gemeinsamen Einverständnis kommen und ihre
eigene Mitschuld am Krieg und dem Holocaust anerkennen
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Wednesday, 6 July 2016
172) Die schöne Frau und der kleine Hund
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172
Die schöne Frau und der
kleine Hund
In alten französischen
Filmen erscheint oft eine hübsche Frau, natürlich nicht so leicht bedeckt wie
heute, sondern in einem teuren, bis zum Boden reichenden Kleid in leuchtenden
Farben mit Rüschen, Maschen, Maschen und anderen Falten, einem großen Hut mit
Federn oder Blumen bestückt. Die Szene beginnt meist in der Garderobe der
Frau. Ein Gentleman in elegantem Anzug sitzt in einem bequemen Sessel und
bespricht mit der hinter einem Paravan sitzenden Frau die letzte oder nächste
Opernaufführung, oder besser, welche Besucher besonders spektakulär waren,
oder welche Konkubine (Weltdame, eigentlich eine ausgehaltene Frau) gerade
von welchem reichen, jungen Aristokraten ausgehalten wird. Bei jedem
Einfädeln der Schnur in das Korsett und dem Zusammenziehen durch eine
Kammerdienerin bleibt der Schönen einen Moment lang die Luft weg, wodurch
auch der Gentleman zu Wort kommt. Währenddessen schminkt sie ihr Gesicht,
wenn sie nicht zufällig auch dafür noch eine Kammerdienerin hat. Ein Bild aus
dem Rokoko: „Die Toilette der Venus“. Am Ende der Prozedur setzt sie noch
ihren großen Hut auf, unter dem ihr Kopf zu verschwinden scheint, der
Sonnenschirm wird ihr gereicht und natürlich, wie hätte ich das fast
vergessen können, der Hund.
Ein blutrünstiges Tier in
Schoßhundgröße. Ein blaues Schleifchen in seinem Kopfhaarschopf zeigt an,
dass es sich hier um ein Männchen handelt, ein rosarotes ein Weibchen. Dieser
unangenehme Geselle bellt nicht, er kläfft mit einer ziemlich hohen,
schneidenden Stimme und macht sich dadurch aufmerksam und Platz. Sein Name
ist, wie könnte es anders sein, natürlich „Fou-Fou“ (Verückt-Verückt). Und dieser
Giftzwerg hat noch eine andere Funktion, er ist eifersüchtig und reagiert
äußerst aggressiv auf alles, was einem erwachsenen Mann gleicht. Wenn also
eine Frau jetzt einen kennenlernen will, gibt sie ihren Aufpasser an eine
Kammerdienerin oder Freundin weiter. Er wird gebadet und gepudert, geht zum
Friseur, für ihn wird gekocht und er wird gepflegt, wenn er krank ist. Wie
gut, dass er nicht sprechen kann. Was würde er wohl erzählen? Vielleicht viel
Blödsinn oder viel Interessantes?
Die Zeiten und Kleider haben
sich geändert, aber der Schoßhund ist der gleiche geblieben.
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