Thursday, 14 July 2016

174) Wahr und Recht
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174
Wahr und Recht
Die Sonne hatte die Kuppen der angrenzenden Bergkette erreicht und schien rötlich über die Ebene. Eine Kutsche fuhr langsam über den humpeligen Weg entlang, bis sie einen Mann erreichte. Er bewegte sich mäßigen Schrittes, ohne die geringsten Anstalten den Weg freimachen zu wollen. Mehrmals rief ihm der Kutscher zu. Der hohe Würdenträger in der Kabine schaute aus dem Fenster. Er langweilte sich und befahl dem Wagenführer, den Wandernden in die Kabine einzuladen. Jener stieg vom Kutschbock und sprach den auf dem Weg an. Er war schon lange gegangen, betrachtete den Kutscher einen Moment mit müden, aber grimmigen Augen, schritt dann mit jenem zur Tür und stieg ein. Zuerst machte er sich Platz, bevor er seinen Gastgeber anblickte. Der Unterschied war auffallend, der eine reich, der andere dürftig bekleidet. „Woher und wohin, mein Herr!“ – „Woher weiß ich, wohin ist mir unbekannt.“ Der an unterhaltsame Gesellschaft gewohnte Kutschenbesitzer war schon drei Stunden ohne Begleitung gereist und da er jetzt endlich nicht mehr allein in der Kabine saß, wollte er es mit dieser kurzen Antwort nicht erledigt wissen. „Hmm, gut, dann erzählen Sie mir über das Woher!“ – „Ich bin nicht überzeugt, ob meine Geschichte sehr befriedigend sein würde.“ – „Ich will sie hören.“ – lautete die Erwiderung. „Mein Vater war ein tapferer Ritter und auch ich selbst kämpfte an der Seite meines Königs. Als Dank für meine Dienste und Treue gab er mir Ländereien mit ein paar Dörfern. Aber dann kam ein anderer König, der mir diese wieder nahm und …..“ – „Und?“ – „Haha! Er gab sie dir!“ – „Ich weiß! Wieder ist Unruhe im Land.“ – Mein König kommt zurück und dann vergesse ich deiner nicht, wenn ich dich si wandern sehe.“ – „Du hast Humor.“ – „Vielleicht ist ein einfacher Bauer besser dran, als wir, weil er nicht von so hoch fallen kann.“ – „Ich sehe eine Zeit voraus, in der jeder nach seinen Fähigkeiten beurteilt wird, in der wir keine Füße mehr küssen müssen, um anerkannt zu werden. Es ist natürlich noch ein weiter Weg bis dorthin, noch ein paar hundert Generationen. Deshalb schlage ich dir vor, dich bei mir bis zum Machtwechsel zu verstecken und gut zu leben. Dann müssen wir nur aufpassen, dass die Bauern das System nicht stürzen.“ – „Ich nehme dein Angebot an, weil ich sehe, dass wir noch immer nichts gelernt haben und lieber abwechselnd Füße küssen.“ – „Vielleicht haben wir auch einfach Angst, dass so ein dummer Bauer besser sein könnte, als wir.“
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