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Die Anderen
Fürst: Ich muss unbedingt herausfinden, wodurch
andere Länder stärker sind, wie der Staatsapparat aufgebaut ist, wie das Heer
funktioniert.
Adliger am Hof: Wie ihr wünscht, mein Gebieter!
Ich werde getarnt versuchen, alles bei unseren Nachbarn zu erkunden.
Des Nachts begab er sich über die grüne Grenze,
musste darauf achten, auch von den eigenen Grenzsoldaten nicht gesehen zu
werden, weil es niemand erfahren sollte. Zu seiner Überraschung hatte das
Nachbarland gar keine Wachen aufgestellt. Hatten sie keine Angst, dass jemand
zum Feind überläuft? Er fühlte sich in seiner jetzigen Bekleidung nicht sehr
wohl. Sie war eine Kopie von dem, was man einem Gefangenen abgenommen hatte,
zwar bequem, aber er fühlte sie unter seinem Rang. Was würde er wohl noch
erleiden und ertragen müssen? Vielleicht noch mit einem Neger oder
Arbeitersklaven an einem Tisch zu sitzen?
Es war schon Vormittag, als er eine kleine
Grenzstadt erreichte. Viele Leute bewegten sich auf den Straßen, ohne
Ordnung, durcheinander, aber die meisten in Richtung eines großen Platzes. Er
hatte eigentlich nicht dorthin gehen wollen, wurde aber von der Masse
förmlich fortgeschwemmt. Als der Platz sich vor ihm öffnete, sah er Stand
neben Stand mit, hörte Händler und Händlerinnen laut ihre Waren anpreisen, Käufer,
die mit ihnen feilschten, manchmal auch harte, fast beleidigende Ausdrücke,
ein Drängeln von allen Seiten, dann einen Tumult, weil mehrere Leute sich
nicht einigen konnten und die Kraft der Fäuste als Argument benutzten,
irgendwo wurde ein Taschendieb gefasst. Was für ein Durcheinander! – dachte
sich unser geheimer Kundschafter.
Am anderen Ende des Platzes erblickte er ein
stattliches Gebäude mit einem großen Tor. Er näherte sich. Dies schien das
Bürgermeisteramt zu sein. Er wunderte sich, dort keine Wachen zu sehen und
ging hinein. Verschiedene Aufschriften machten ihn darauf aufmerksam, wo sich
was befand. Er öffnete eine höhere Tür und trat ein. Es sah wie ein
Gerichtssaal aus. Ein Mann im schwarzen Gewand sprach gerade Recht: Gesetze
sind Bestimmungen der Maßnahmen bei Übertretung von Vorschriften.
„Sonderbar!“ – dachte unser Held. „Bei uns ist es ein Mittel der Erziehung.
Wenn die nämlich keine Vorschriften haben, werden die wild. Wahrlich halten
sich die Leute bei uns meist nur daran, weil sie Angst vor der Strafe haben,
aber unter Umständen gewöhnen sie sich auch daran. Aber wer das Gesetz nur
einhält, weil er sich davor fürchtet, hat eigentlich keine Grundsätze!“
Bald plagte ihn der Hunger, hatte er doch seit Verlassen
des Hofes nichts gegessen und getrunken. Er begab sich in eine Wirtschaft.
Sie war ziemlich voll, so dass er nur einen Stehplatz bekam. „Warum arbeiten
diese Leute nichts?“ „Selbstbedienung!“ - las er auf einem Schild an der
Wand. Von einem Tisch nahm er Teller, Besteck und Glas, und ließ sich von dem
schönen Mädchen hinter der Theke Bier und Wildbrett geben. „Für so eine
Kneipe essen die Leute hier ganz gut.“ Während er gierig die letzten Brocken
verschlang, fand das Gespräch seiner Tischnachbarn den Weg in sein Ohr. Sie
stammten aus verschiedenen Ländern, das ließ sich aus ihrer Aussprache
vernehmen. Jeder lobte sein eigenes Land, aber musste sich auch die Kritik
der anderen anhören. Doch am Ende stießen sie mit Bierkrügen und Weingläsern
an, und einigten sich darüber, dass sie ja gemeinsam den Großfürsten besiegt
hatten. Geschichtsverständnis als Ergebnis von Gedankenaustausch! Hier schoss
es unserem Kundschafter durch den Kopf, dass sein Fürst fast alle unterdrückt
hätte, wären sie nicht zusammen gegen ihn aufgetreten. Geschichte wurde hier
nicht nach dem Standpunkt eines einzelnen geschrieben. Als er hinausging
legte er das Geld für Speise und Trank in einen Behälter neben der Tür und
war verwundert, dass es niemand kontrollierte. Aber er wollte nichts
riskieren und zahlte genau, weil er doch nicht auffallen wollte.
Er war beruhigt, keinerlei Papiere vorlegen zu
müssen, um ein Zimmer zu nehmen. Auf diese Weise würde keiner erfahren, dass
sich ein Spion hier befand. „Die lieben ihre Freiheit so sehr, dass sie ihre
Sicherheit vernachlässigen. Oder denken die vielleicht: Wer nichts zu
verstecken hat, muss sich auch vor der Freiheit nicht fürchten?“
Am nächsten Tag, am Sonntag waren die Leute
genauso geschäftig, wie an anderen Wochentagen. „Vielleicht sollte man die
lieber in die Kirche schicken, um für den Fürsten zu beten und zu hören, wie
man moralisch lebt.“ Er ging ein paar Meter, als ihn ein Kind am Arm zerrte.
Er drehte sich herum, das Kind drückte ihm sein reich besticktes, seidenes
Taschentuch in die Hand, das aus seiner Tasche gefallen war. Schnell steckte
er es in seine Jacke. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein! Das Wappen
darauf hätte ihn verraten können.
Obwohl er keine staatlichen Arbeitskommandos sah,
musste er feststellen, dass die Straßen und Parkanlagen sauber und gepflegt
waren. Er bemerkte auch nirgendwo ein Schild mit der Aufschrift „Staatliche
….“, „Nationale …..“ oder „Städtische ……“. Sollte hier wirklich alles nur in
privaten Händen liegen. Auch auf dem größten Platz in der Hauptstadt gab es
nicht einmal einen Galgen oder eine Guillotine. Fehlte es hier an
Schwerverbrechern oder half nicht einmal mehr das Mittel der Abschreckung?
Diese Welt erschien ihm immer merkwürdiger!
Auf seinem Weg durch die Hauptstadt kam er auch
an vielen Gebäuden vorbei, die keine Wohnhäuser oder Geschäfte waren.
„Waisenheim“ stand auf einem Schild. In seinem Land machte man daraus
Nachwuchs für die Armee, das beste Kanonenfutter. „Schule für alle!“ – las er
auf einem anderen. „Was für ein Aberwitz! Die würden dann vielleicht auch
noch ein Selbstbewusstsein entwickeln, wären ungehorsam und ließen sich nicht
mehr dirigieren.“ „Armenkrankenhaus“ Jetzt wurde es ihm zu viel. Wie konnten
die das alles finanzieren? Oder dachten die, dass es sich lohne, auch die
weniger qualifizierten Arbeitskräfte gesund zu erhalten, weil sie dann mehr
leisten könnten?
Vor einem Amt standen Leute Schlange, darüber
eine Aufschrift: „Wahlbüro“. „Um zu wählen, muss man doch zuerst wissen, was
man will. Und das wisse doch der Fürst am besten. Ein Führer, ein Staat, ein
Land. Der Regierungschef soll ein Diener des Volkes sein?“
Nach einer Woche kehrte er in den Palast zurück.
Aber als der Fürst sich von ihm darüber aufklären lassen wollte, warum diese
anderen stärker waren, als sein mit einem Willen geführter Staat, wusste er
nichts zu antworten, weil er einfach nichts verstanden hatte. Diese
Demokratien hatten sogar ihren Nationalismus vergessen und sich verbündet, um
ihre Freiheit zu erhalten.
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Saturday, 6 February 2016
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