Friday, 22 January 2016

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Ein Gott war gestorben

Als er vor zwanzig Jahren geboren wurde, fing man an, ein Grab für ihn zu bauen. Jedes Mitglied der Gemeinschaft musste an den Arbeiten teilnehmen. Was für eine Organisation, wenn dreißigtausend Leute wie eine Maschine zusammenhelfen! Nach den großen Überschwemmungen des Flusses musste auf den Feldern zuerst gesät werden, dann kamen alle zum Bau zurück, um während der Erntezeit wieder auf den Feldern geschäftig zu sein.
Die Arbeiten begannen früh am Morgen, wenn die Sonne noch nicht so hoch stand, um die Mittagszeit kehrten alle zu ihren Zelten zurück, am Nachmittag ging es dann weiter. Für ihre Verpflegung mussten sie selbst sorgen, jeder opferte sich für den Gott.
In der Wüste gab es keine Steine, sie mussten aus den Bergwerken von weit her auf Schiffen den Fluss hinunter zum Bauplatz gebracht werden. Manchmal fiel so ein tonnenschwerer Steinblock und zerquetschte zehn oder zwanzig Arbeiter unter sich, dann wurde eine neue Gruppe gerufen, nach ein paar Stunden ging es weiter, der gewichtige Block wurde auf das Baugelände gebracht. Um die Toten kümmerten sich die Geier, eine saubere Müllabfuhr, kein Knöchelchen blieb liegen.
Das Ziel war klar, das Grab musste vor dem Tod des unsterblichen Gottes fertig sein. Wenn er länger lebte, wurde ausgebessert und verschönert. Die Pläne für das Innere des Grabes waren geheim, die Architekten und Arbeiter, die an dessen Konstruktion teilnahmen, wurden später getötet, um eine Plünderung zu verhindern.
Manchmal ritt der junge Gott an seinem eigenen Grab vorbei, um die Fortschritte der Arbeiten zu beobachten.
Der Sohn des noch lebenden Gottes wurde geboren, und so begann man sofort mit einem neuen Grab. Ein neuer Gott? War die Welt nicht zu Ende, wenn ein Gott starb? Nun sollte es plötzlich weitergehen?
Der Held unserer Geschichte hieß Schakal. Er war am gleichen Tag geboren, wie der Gott, und deshalb ausgewählt worden, den Gott lebendig in sein Grab zu begleiten, um ihm im Jenseits zu dienen. Während seiner Kindheit passte jeder im Dorf auf ihn auf, und niemand bestrafte ihn, wenn er etwas ausgefressen hatte. In seiner Jugend brachte ihn dann ein Priester weg von seinem Dorf in ein Kloster, wo er auf die kommenden Aufgaben vorbereitet werden sollte. Als er fünfundzwanzig Jahre alt war, starb der unsterbliche Gott und deshalb brachte man unseren Helden mit anderen seinesgleichen auf einem kleinen Schiff den Fluss hinunter, um zusammen mit dem Toten lebendig begraben zu werden.
Der Wasserstand war zu dieser Zeit des Jahres sehr niedrig, deshalb musste das Schiff mehrmals aus Sandbänken befreit werden. Dann wurde der Fluss endlich breiter und man hielt sich in der Mitte. Ruhig plätscherte das Wasser dahin. Diese Sorgenlosigkeit machte auch den Steuermann schläfrig, die Krokodile am Ufer wärmten sich in der Sonne. Als die Blicke unseres Helden so unbekümmert im nassen Element verschwanden, gab es plötzlich einen lauten Krach. Das Schiff war auf ein Riff gelaufen und sank in rasender Schnelle. Dies machte auch die Krokodile aufmerksam, langsam bewegten sie sich ins Wasser. Ein unerwartetes Mittagessen oder eine Gabe Gottes? Die Reisenden sprangen ins Wasser. Aber in welche Richtung sollten sie schwimmen? Von überallher kamen die Hungrigen. Vielleicht hätten viele mehr eine Überlebenschance gehabt, wenn sie zusammen in eine Richtung geflohen wären, weil die Tiere aus dieser Richtung nicht alle Menschen hätten schnappen können.
Als unser Held wieder aufwachte, lag er in einem Boot und hörte Hilferufe und das Schlagen der Paddel, mit denen man versuchte, die aufdringlichen Tiere fernzuhalten. Er kannte diese Leute nicht, die er da sah, wusste nicht, woher sie so plötzlich gekommen waren. Nach ein paar Minuten wurde das Ufer erreicht. Von dem Schiff und seiner Besatzung zeugte nicht die kleinste Spur.
Wer hatte ihn gerettet? Es waren Vogelfreie, die eigentlich das Schiff ausrauben wollten. Jetzt war er ihr Gefangener, er würde für sie arbeiten müssen, bis sie ihn in irgendeiner Siedlung als Sklave verkaufen. Als er ihnen erzählen musste, warum er auf dem Schiff war, fluchten sie fürchterlich, weil die Schätze für die Grabkammer versunken waren, aber fügten gleichzeitig lachend hinzu, dass unser Held Glück gehabt habe, weil er jetzt nicht lebend begraben würde, sondern weiterleben könne. Was diese Gottlosen hier aussprachen, war für ihn unverständlicher Blödsinn. Hatte er sich nicht sein ganzes Leben darauf vorbereitet, dem Herrscher und Gott im Jenseits zu dienen?
Als Gefangener nahm er mit den Gesetzlosen seinen Weg durch den Urwald. Er musste für sie Holz sammeln, Feuer machen und kochen. Nach ein paar Tagen kamen sie zu einem kleinen Kloster, das sie angriffen und ausraubten. Auch einige Gräber fielen ihnen zum Opfer. Sie verkauften die ergatterten Schmuckstücke und Sklaven meist an reiche Wüstennomaden, die mit dem Flussvolk in ständigem Konflikt standen.
Unser Held musste jetzt Kamele hüten und beim Zeltauf- und –abbau helfen. An Flucht war nicht zu denken, weil er alleine in der Wüste umgekommen wäre. Sie zogen von Oase zu Oase. Eigentlich wusste er nicht, wo er war. Und langsam gewöhnte er sich daran, weiterzuleben, erlernte die Sprache und Sitten dieses fremden Volkes, von dem man ihm so viel Schlechtes erzählt hatte.

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