Sunday, 27 March 2016

158) Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com
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Sich selbst betrügen

Als er da vor mir saß und erzählte, funkelten seine traurigen Augen:
Mit zwanzig probierte ich es zum ersten Mal aus, weil ich märchenhafte Geschichten darüber gehört hatte. Stell dir vor eine ganze Nacht mit einem hübschen Mädchen! Am nächsten Morgen konnte sie kaum normal laufen. Es ist richtig, dass ich nur drei Mal kam, aber anscheinend gefiel ihr, dass sie mich die ganze Nacht in sich fühlte. Es ist wie eine Droge, es macht psychisch abhängig. Wer möchte nicht jeden Tag dieses Gefühl haben? Der Hormonausschuss, den man dabei fühlt, geht durch den ganzen Körper. Ja, ein Orgasmus ist einfach großartig, oder nicht?
Ich konnte nur nicken. Er fuhr fort:
Ich probierte auch andere Mittel aus, gerade was erhältlich war, oder ich mir eben leisten konnte. Dieser Spaß ist nämlich nicht ganz billig. Eigentlich funktionierte auch das Training nicht so schlecht. Damals spielte ich Fußball und Wasserball, war sportlich gebaut. Dann stieg ich auf Body-Building um. Das passt so zusammen, ein schöner Mann, der immer kann, das ist der Traum jeder Frau! Aber das weibliche Geschlecht lässt sich nicht immer nur durch einen schönen Körper überzeugen. Ein gepflegtes Aussehen, modische Kleidung, ein teures Auto, ein gutes Restaurant oder Opernabend, eine gute Wohnung gehören dazu. Es ist erstaunlich, wie viele Frauen nicht nur über Kleidermarken, sondern auch Automarken und ihre technischen Daten, Wohnungen und Architektur wissen. All dies ist noch kostspieliger als die sexuellen Hilfsmittel. Aber woher soll man die Mittel nehmen, wenn man sie nicht stehlen will? Also fing ich an, Geldgeschäfte anzubieten. Der versprochene Zinssatz lag meist drei bis vier Prozent höher als der bei Banken. Man reichte mich von Hand zu Hand. Jede Krise in der Wirtschaft, jeder Bankrott einer Firma, Ausbruch eines Krieges oder Schwankung auf der Börse half mir, zu erklären, warum ich nicht nur die Zinsen, sondern auch das Grundkapital nicht zurückzahlen konnte. Aber mein Wagemut, der anscheinende Erfolg und Stil meines Lebens bewegte die Leute, mir immer neues Geld zu überantworten. In meinem Leben sahen sie alle ihr Ideal, reich, sportlich und viele Frauen. Die Vorstellung über einen ganzen Mann. Aber auch ich selbst könnte mir kein besseres oder anderes Leben denken. Was wäre ich denn ohne all das?
Jetzt machte er eine kleine Pause, schien niedergeschlagen und müde. Irgendetwas bedrückte ihn.
Ja, heute geht es nicht mehr. Nach dreißig Jahren wirken diese Mittel nicht mehr. Aber es gibt eine Möglichkeit!
Er hielt kurz inne und seine Augen funkelten wieder. Er hob die Hand, wobei er den Zeigefinger ausstreckte, als ob er sag wollte: „Achtung!“ Laut brach es aus ihm heraus:
Ein Implantat! Und zwar kein einfaches! Die Zusammenarbeit von Medizin und Technik macht es heute möglich, in den Unterkörper eines Mannes ein solches Ding einzubauen, das Aufknopfdruck das Geschlechtsteil aufpumpt. Stell dir vor, du hast das Mädchen ausgezogen, sie ist unten nass geworden, du drückst auf den Knopf, er steht und es kann losgehen, wie auf Befehl! Wann und Wo du willst!
Er machte eine bedeutungsvolle Pause, um zu sehen, welchen Eindruck das alles auf mich gemacht habe. Oder vielleicht sah er auch durch mich hindurch, weil er unbekümmert in sich hineinstrahlte.
Die ganze Nacht kannst du, sie wird denken, dass du ein Supermann bist. Natürlich kannst du selbst nicht einen Orgasmus nach dem anderen haben, aber du kannst sie beglücken.
Und hier hätte ich eigentlich die Frage stellen müssen: Gut, du kannst sie beglücken. Aber was macht eine Frau wirklich glücklich? Ich selbst hätte die Frage wahrscheinlich nur unzulänglich und unvollständig beantworten können. Zuerst fielen mir bestimmte inoffizielle Statistiken von Psychologen und Frauenärzten ein, die besagten, dass der Orgasmus bei Frauen wesentlich weniger körperlich abläuft, als bei Männern. Denken wir nur an die Tatsache, dass ein Mann mehrere Frauen befruchten kann, dass es für ihn wichtig ist, sein Erbgut möglichst weit zu verbreiten. Wäre der sexuelle Akt für ihn nicht mit zum Beispiel einem berauschenden Glücksgefühl verbunden, würde der Grundsatz der Evolution nicht zur Geltung kommen. Und ihm ist es dann sehr oft egal, wer seine Nachkommen aufzieht. Bei der Frau ist dies anders, weil sie in früheren Zeiten ihre Kinder nicht allein durchbringen konnte, und deshalb auf die Hilfe eines Partners angewiesen war, musste sie diesen gemäß anderer Kriterien auswählen. Sie musste wesentlich mehr ihren Kopf benutzen, als auf ihr „Herz“ zu hören. Wenn sie sich einem Mann hingab, war es oft keine Lust, sondern eine Entscheidung.
Einige Frauenärzte und Psychologen behaupten sogar, dass verschiedene Frauen noch nie einen Orgasmus hatten. Sie sind nicht die einzigen. Im Buch „Kamasutra“ steht an einer Stelle, dass Frauen keines Orgasmus fähig sind. Solchen Beispielen aus der Literatur könnten noch viele andere hinzugefügt werden.
Ob man diesem Glauben schenken will, steht auf einem anderen Blatt geschrieben, aber es liegt nahe, dass für Frauen besonders in späteren Jahren nicht unbedingt die Leistung eines Mannes im Bett das wichtigste ist. Wenn sie dann so einen Supermann halten wollten, der davon überzeugt ist, dass der Sex unheimlich wichtig ist, müssten sie ihn jedes Mal mit einem vorgespielten Stöhnen betrügen, wobei er sie betrügen würde, weil er selbst eigentlich kaum mehr einen richtigen Orgasmus hat.

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Monday, 21 March 2016

157) Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com
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Das gleiche für alle

Bei vielen Naturvölkern verlassen die Alten, Schwachen oder Kranken die Gruppe, oder sie werden zurückgelassen, manchmal auch ausgestoßen. Nur bei jenen? In den modernen Industrieländern gibt es Altersheime, spezielle Krankenhäuser oder Anstalten. Viele Insassen werden einmal pro Monat, andere überhaupt nicht besucht. Die eine Gesellschaft kann es sich nicht leisten, einen Klotz am Bein zu haben, weil der Existenzkampf zu hart ist. Die andere will es sich nicht erlauben, weil sie glaubt, dann im Konkurrenzkampf mit anderen zurückzubleiben. Von wem könnte man auch erwarten, dass er ganz ohne Belohnung sein Leben für andere aufopfert. Aber einen großen Unterschied gibt es doch. Bei der ersten musst du nicht erklären, warum du sterben willst, du gehst einfach.
Er zündete sich einen halben Zigarettenstummel an und nahm einen Schluck von dem billigen Wein, nach dem sein Gehirn wieder einen kleineren Purzelbaum schlug.
Er war schon sein langem ausgestiegen, machte es noch, solange er das Gefühl hatte, dass es ihm nicht zu viel wurde, oder dafür zu sehr kämpfen zu müssen. Doch jetzt wollte er nicht mehr und hatte sich in einen Teil eines Waldes zurückgezogen, in den sich selten jemand verirrte. Dabei war es geheim geblieben. Es hätte sowieso niemanden interessiert. Er war einfach aus der Stadt gegangen, dann einen Feldweg entlang, später in den Wald und in das Dickicht.
Ein neuer Schluck aus der Plastikflasche gegen die Kälte und wieder ein geistiger Purzelbaum.
Bilder aus seiner Kindheit kamen auf. Es gab oft nichts zu Essen, deshalb wurde das alte Brot mit ein bisschen Fett bestrichen und kurz in den Ofen gelegt. Am sechsundzwanzigsten Dezember war es besser, weil die Christen das, was sie nicht aßen, unter den Armen verteilten. In die Schule ging er gern, nicht weil er den Unterricht, die Lehrer oder seine Mitschüler gemocht hätte, sondern weil es dort einigermaßen warm und sauber war. Er beendete die Schule mit einem mittelmäßigen Zeugnis. Für eine Berufsausbildung aber fehlten die Möglichkeiten. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater waren schwere Trinker, so dass unsere Hauptperson selbst seinen Unterhalt verdienen musste, was mit der geringen Bezahlung eines Lehrlings unmöglich gewesen wäre. Er mietete ein Zimmer in einem Arbeiterwohnheim, um aus dem Dreck herauszukommen. Später lernte er Maria, ein lebensfreudiges Mädchen kennen. Aber auch sie konnte in ihm nicht den Ehrgeiz wecken, einen Beruf zu erlernen und eine Familie zu gründen, oder vielleicht liebte sie ihn nicht genug. Obwohl er den Alkohol eigentlich hasste, weil er gesehen hatte, was er aus seinen Eltern machte, fand er sich immer öfter in der Kneipe ein. Und so langsam rutschte er ab, verlor seinen Arbeitsplatz, an dem man anfänglich mit ihm doch eigentlich ganz zufrieden war.
Als er auch das Zimmer nicht mehr bezahlen konnte und auf die Straße geriet, wurde sein Alkoholproblem nur noch größer, weil dort fast alle tranken, um den Zustand und die Kälte zu verarbeiten. Schlechte Ernährung, die Witterung und der übermäßige Alkoholkonsum zerstörten dann auch noch den Rest an Widerstandskraft und Selbstwertgefühl. Als man ihn fand, waren von ihm eigentlich nur noch die Kleidung, Knochen und ein bisschen Wein in der Plastikflasche übrig. Wenigstens den Ort und die Zeit seines Todes hatte er selbst gewählt.

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Saturday, 19 March 2016

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James Bond – Ian Fleming

Charakteristisch für diese Filme und Bücher sind viel Aktion, geheimnisvolle Waffen, dunkle, gefährliche Plätze und Situationen, und blonde Frauen mit vollen Busen. Der Schriftsteller hat hier eine Phantasiewelt geschaffen, die mit seiner eigenen Tätigkeit als Geheimagent wahrscheinlich nicht verglichen werden kann.
Ian Fleming war Aristokrat und somit vermutlich, wie auch Churchill der Überzeugung, dass der Faschismus in Deutschland, Italien und Ungarn weniger schlimm sei, als der Kommunismus und gar eine Barriere gegen jenen bilden könnte.
Schon während des spanischen Bürgerkrieges hatten Hitler und Mussolini den Diktator Franco tatkräftig unterstützt. Auf der Seite der Republik dagegen standen Partisanen aus ganz Europa, aber keine offiziellen Streitkräfte Westeuropas oder Nordamerikas. Die Annahme liegt nahe, dass Leute, wie Ian Fleming geheime Verhandlungen mit den Deutschen führten. Hitler hoffte auf einen Frieden mit England, und die eroberten Gebiete zu behalten. Die Engländer dagegen hätten gerne eine Front gegen Russen und Kommunismus mit Deutschland als Rammbock aufgebaut. Was diesen Ausgleich gestört haben könnte, war vielleicht der Eintritt Amerikas in den Krieg, wodurch sich die Kräfteverhältnisse verschoben.
Ian Fleming war also kein wirklicher Geheimagent, sondern mehr ein Geheimdiplomat.

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Friday, 18 March 2016

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Sonntag

Schon seit Tagen hatte er sich darauf vorbereitet. Nein, eigentlich schon seit Monaten. Oder noch besser, seit Jahren. Dieser große Tag, an dem er seinen Eintritt in die große Welt und höhere Gesellschaft machen würde.
Bereits mit 7 Jahren, wenn seine Mutter ihn mit dem Müllsack zur Mülltonne schickte, zog er seine besten Schuhe und Hose mit Hemd an, kämmte sich die Haare vor dem Spiegel und versteckte den Sack in seiner Schultasche, damit die Nachbarn es nicht bemerkten.
Deshalb nannten ihn seine Familienmitglieder nur das Sonntagskind. Dieser Spitzname wurde später in Herr Sonntag umgeändert, weil er sich darüber beschwerte, dass man ihn noch immer Kind schimpfte.
Seine Schulfreunde lud er nie zu sich nach Hause ein, weil er sein Zimmer mit seinen Brüdern und Schwestern teilen musste, eigentlich nur ein Bett und einen halben Schrank besaß. Aber da war Ordnung, jedes Kleidungsstück, sogar die Socken und Unterhosen gebügelt und sorgfältig zusammengelegt.
Wenn es in der Schule eine Veranstaltung gab, erwähnte er es zu Hause aus Angst nicht, um zu verhindern, dass jemand aus seiner Familie dort erschien und dadurch jemand im Bildungszentrum erfuhr, woher er wirklich kam, oder wie er tatsächlich lebte. Ja, er schämte sich seiner Herkunft.
Von seinem Onkel, der wegen Betrug und Hinterziehung im Gefängnis gewesen war, lernte er Tricks, wie man Leuten glauben macht, dass man jemand anders war, oder jemand anders sei, oder wie man in ihnen Vertrauen erweckt.
Ein Lehrer in der Schule zeigte ihm die Bibliothek und eine Reihe von Büchern, die man unbedingt lesen sollte. Er betrachtete mit großen Augen die langen Regale, schätzte, dass dies ein jahrelanges Studium in Anspruch nehmen würde, und beschloss lieber anderen Leuten zuzuhören, die dies alles für ihn gedanklich zusammenfassen würden. Sein Glück bestand dann im Allgemeinen darin, dass die meisten, mit denen er in Kontakt trat, noch weniger als er gelesen hatten und deshalb nicht kontrollieren konnten, ob es wirklich stimmte, was er von sich gab.
Schnell lernte er, dass es nützlich war, sich den mächtigen zu nähern, weil da früher oder später immer ein paar Krümel abfielen. Aber wo fand man diese reichen, einflussreichen Leute? Natürlich in der Kirche, wo der Pfarrer auch sofort Ratschläge gab, welche politische Partei zu wählen sei. Mit Kokarde am Anzug spielt er einmal die Woche den Andächtigen.
Mit fortschreitendem Alter wurde in ihm auch der Wunsch wach, das Gefühl eines Mannes zu erproben. Er war aber so geizig Geld und Zeit in eine Bekanntschaft mit einer Frau zu investieren, dass sich keine finden ließ. Bei den Mädchen seines eigenen Standes hätte er wahrscheinlich besser Aussichten gehabt, wenn er nicht auf sie herabgeschaut hätte. Deshalb fand er sich, je nach dem, was sein Geldbeutel erlaubte, inkognito im Freudenhaus ein.
Und heute an diesem großen Tag sollte er endlich ans Licht der Öffentlichkeit treten. Man hatte ihn gebeten, bei der Eröffnung des neuen Stadions im Vorgarten des Führers, die Schere zu halten, mit der das Oberhaupt das Band zum Eingang zerschnitt.

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Friday, 11 March 2016

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Der große Preis

Es war eine kleine, örtliche Firma. Sie produzierte Mineralwasser, oder besser, sie füllte das aus der Tiefe hervorquellende, gesunde Nass in Plastikflaschen ab und belieferte damit das Gaststättengewerbe und die Lebensmittelgeschäfte in der örtlichen Umgebung.
Dies war nach dem Kriegsende ein langsam aufkommendes Konzept, weil wegen der steigenden Grundwasserverschmutzung durch Düngemittel das Ausheben von neuen Brunnen gesetzlich verboten wurde und Leute bei steigendem Einkommen kein Leitungswasser mehr trinken wollten. Vor allem Sprudel war der große Schlager, dabei reicherte man das Tiefquellwasser einfach mit Kohlensäure an.
Nach langer Geschäftszeit ohne Konkurrenz erschienen Supermarktketten auch in den kleineren Städten, gar in größeren Dörfern. Anfangs stiegen die Bestellungen, weil es für diese Großunternehmen billiger war, sich örtlich zu versorgen. Aber dann begannen die Einkaufsketten die Wasserquellen aufzukaufen und ihr eigenes Emblem draufzukleben. Die Werbung in Funk und Fernsehen taten den Rest. Bald wollten die Leute nur noch Markenwasser genießen, obwohl dieses nach der Meinung des Eigentümers des Familienbetriebes auch nur Wasser war.
Sein Großvater war damals nach dem Krieg zur richtigen Zeit der richtige Mann am richtigen Platz gewesen und hatte die Konzession dafür ergattert. Lange Zeit hatte man auch gute Verbindungen zu Persönlichkeiten in den verschiedenen Ämtern.
Aber irgendetwas machten diese großen Unternehmen besser. Immer wieder studierte man deren Verkaufsstrategien und Produkte. Auffallend waren die vielen Informationen über Umweltschutz und Wettbewerbe, bei denen die Produkte gewonnen hatten. Die Preisvergeber waren zwar in allen Fällen völlig unbekannt, trotzdem wirkte es imposant, wenn die Preise auf den Waren glitzerten. Die Frage stellte sich, wie man zu so einer Auszeichnung kam. Briefe wurden an die Ausschreiber versendet und gespannt wartete man auf Antworten. Diese blieben doch in den meisten Fällen aus, oder der Betrag für die Teilnahme war unverschämt hoch. Man fand sehr oft heraus, dass die Prüfungskommission nur aus einer Person in einem Minibüro bestand.
Deshalb fasste man den Entschluss, es denen gleich zu tun. Ein Angestellter der Firma wurde in eine ausländische Großstadt geschickt, in der er eine winzige Wohnung mietete, dann bei den Behörden eine Firma eintragen ließ, die sich angeblich mit Warenprüfung beschäftigt, bestellte bei einer Druckerei ein Emblem und einige Formulare, schickte eine Siegerurkunde und ein Muster des Emblems an seine Heimatfirma. In großem Format wurde das Preisemblem auf den Plastikflaschen angebracht. Die Verkaufszahlen stiegen wieder ein bisschen, weil die Leute davon beeindruckt waren.

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Monday, 7 March 2016

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Sechsundfünfzig

Geboren neunzehnhunderteinundzwanzig, jetzt zweitausendeins sah er sich verlassen, von seinem Weltbild, seiner Umgebung, sogar von seinen Enkeln. Etwas, wogegen er sein ganzes Leben gekämpft hatte, war wieder im Kommen, der Faschismus. Heute wollten sie in ihm ein Schuldgefühl für etwas erwecken, was er sechsundfünfzig getan hatte und jetzt erneut begehen würde, nämlich gegen den Faschismus und Rassismus aufzutreten.
Das Horthy-Regime war für ihn ein Albtraum gewesen, seinen besten Schulfreunden war die Aufnahme an der Universität verweigert worden. Später am Arbeitsplatz hatte man Juden angezeigt, die dann plötzlich verschwanden. Und dann kam schließlich der Eintritt in einen sinnlosen Krieg an der Seite eines Massenmörders. Er selbst wurde an die russische Front geschickt, wo er sah, wie die Leute der Arbeitskommandos, meistens Juden oder Regime-Gegner, wie die Fliegen dahinstarben. Die ungarischen, regulären Truppen benahmen sich gegenüber den Ukrainern nicht viel besser, als die Deutschen. Die Slaven waren für sie nur Untermenschen, und deren Frauen und Töchter zu vergewaltigen, war keine Sünde. Der Horthy-Faschismus hatte die Ungarn zu Tieren gemacht.
Er war einer der wenigen, die das überlebten. Um zu verhindern, dass man ihn noch einmal einberuft, ging er in den Untergrund. Aber dieser war klein. Die Ungarn unterstützten ihren Horthy und später Szállasi. Als die Russen im Land eintrafen, musste er feststellen, dass sie nicht nur gekommen waren, um die Welt vom Faschismus zu befreien, sondern auch um sich zu rächen. Er versuchte für sie eine Entschuldigung zu finden: „Schließlich hatten die Ungarn angegriffen und sich wie Tiere benommen.“ Natürlich merkte er selbst, dass dies nicht vertretbar war, aber er war überzeugt, dass die Russen weniger schlimm waren, als die Horthy-Faschisten. Den Beweis dafür lieferte ein genaueres Studium der Geschichte.
Die ersten Nachkriegsjahre bekämpfte er alles, was Rechtsgerichtet war, auch wenn er sich immer wieder die Frage stellte, ob es richtig sei. Und dann kam Sechsundfünfzig und Nagy Imre. Ein Drahtseiltanz zwischen Russen und Faschisten. Nagy hatte keine Chance, zu gewinnen. Viele, nicht alle, ließen da auf der Straße die alten Stimmen aus der Vorkriegszeit hören, nachdem es in verschiedenen Dörfern und Städten Ungarn zwischen sechsundvierzig und neunundvierzig erneut Judenpogrome gegeben hatte. Die Schrecken dieses Alptraumes erschienen wieder vor seinen Augen und er schoss. Einfach in die Menge hinein! Die Faschisten sollten nicht noch einmal gewinnen. Als dann russische Panzer auftauchten, zog er sich zurück. Daran wollte er nicht mehr teilnehmen. Später schlug man ihn für verschiedene Auszeichnungen vor,die er ablehnte. Er sprach auch nie mit jemandem darüber, weil er nicht darauf stolz war, aber wusste, dass er das einzig Richtige getan hatte.
Das Leben ging weiter, er arbeitete, versuchte, wie jeder andere, ein guter Familienvater zu sein. Sein Sohn wurde ganz anders, wie er, lehnte sich ständig gegen das Kádár-Regime auf. Manchmal kam es zwischen ihnen zum Streit, später zum Bruch. Sein Sohn zog aus und besuchte die Mutter nur dann, wenn der Vater nicht zu Hause war. Zwei verschiedene Generationen mit verschiedenen Lebenserfahrungen. Seinen Enkel sah er nur ganz selten, wenn sein Sohn ihn über das Wochenende oder die Ferien bei der Großmutter ließ. Und deshalb gelang es Großvater und Enkel nicht, eine vertrauliche Beziehung aufzubauen.
Beim Systemwechsel schrien viele danach, die Verbrecher, wie sie sie nannten, vor Gericht zu stellen. Vor allem solche, die keine Ahnung hatten und dies nur für politische Ziele nutzen wollten. Aber der Ungar hatte aus seiner Geschichte schon wieder nichts gelernt und ließ sich an der Nase herumführen. Aber als einmal sein erwachsen gewordener Enkel zu Besuch kam und ihn direkt anklagte, wurde es ihm zu viel. Der Enkel hatte dabei vergessen, dass auch der Vater ein guter Kádárist war, obwohl er hinter dem Rücken der Leute anders gesprochen hatte. Der Großvater stand auf, ging in seine Garage und werkte etwas. Sein Enkel fasste dies als Eingeständnis auf. Ein paar Jahre später starb er und redete, wie alle Leute vor ihrem Tod, im Halbtraum sehr viel durcheinander. Der Enkel sollte ein paar Jahre darauf erzählen, dass sein Großvater unter großen Gewissensbissen gelitten habe.

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Tuesday, 1 March 2016

152) Sicherheit
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Sicherheit

Er kam gerade aus der Fabrik, acht Stunden monotone Arbeit neben der Maschine, drei Schichten, einmal von sechs bis vierzehn Uhr, dann von vierzehn bis zweiundzwanzig Uhr und ein andermal von zweiundzwanzig bis sechs Uhr.
Aber es lohnte sich, die Bank bewilligte ihm endlich den Kredit für sein Traumauto. Kein Porsche, weil natürlich auch seine Frau und Kinder darin Platz haben mussten. Trotzdem machten sie lange Gesichter, als sie erfuhren, dass es in den nächsten sechs Jahren keinen Sommerurlaub am See mehr geben sollte, weil sonst die Zahlungsraten nicht beglichen werden konnten.
Auf dem Parkplatz des eingezäunten Fabrikgeländes stand sein Auto, sogar mit Sicherheitsbeamten. Auf diese Weise konnte er wenigstens ruhig arbeiten, weil er wusste, dass niemand an seinen Wagen herankommen würde. Angekommen bei seinem Prachtstück ging er einmal herum, um es zu bewundern und sich zu versichern, dass keiner seinem Liebling beim Einparken eine Schramme zugefügt hatte. Langsam rauchte er seine Zigarette zu Ende, sein nobles Gefährt mit ungeheurer Pferdestärke sollte doch sauber bleiben. Auch seine Frau und Kinder machte er immer darauf aufmerksam, nicht mit schmutzigen Schuhen einzusteigen.
Der Schlüssel schlüpfte fast von selbst in die Mündung und mit einer kleinen Bewegung öffneten sich automatisch alle Türen. Das Radio drinnen war auf seinen Fußballsender eingestellt, „Immer am Ball“ hieß die Devise. Wenn er seinen Kindern einen normalen Computer gekauft hätte, könnte er jetzt die Spiele im Internet anschauen. Wozu hatte man denn einen Fernseher. Dabei musste er sich aber leider nach den Sendezeiten richten.
Sein Verein hatte wieder verloren, doch in dem neuen Auto hörte sich die Nachricht weniger erschütternd an, er pfiff sogar noch ein kleines Lied, das bei Spielen aus voller Kehle nicht gesungen, sondern gebrüllt wurde.
„Hei, du Idiot! Warum gehst du gerade jetzt über die Straße? Willst du vielleicht, dass ich meine Bremsen und Autogummis abnutze?“ Der Fußgänger sprang erschrocken auf den Gehsteig zurück. Wussten die denn nicht, dass er ein neues Auto hat? Er fühlte, die ganze Welt drehe sich nur um ihn. Die Nachrichten im Radio berichteten, dass die Orbán-Regierung in Ungarn, eine Grundgesetzänderung wegen der Terroristengefahr vornehmen wolle, aber dass dies eigentlich gegen die eigenen Bürger gerichtet ist, um Demonstrationen zu verhindern. „Das bräuchten wir hier auch!“ – dachte er bei sich. „Die haben doch 2006 in Budapest auch Autos angezündet. Es ist ein Witz der Geschichte, dass genau die, die damals den Schaden verursacht hatten, jetzt an der Regierung so etwas mit Gesetzen verhindern wollten. Das Gesetz und die Polizei als Druckmittel.“
Schließlich kam er in der Wohnsiedlung an. Zehnstöckige Betonhäuser soweit das Auge reichte. Stolz fuhr er durch den Dschungel. Alle mussten einen neidischen Blick auf seine Errungenschaft werfen. Das entschädigte ihn für die täglichen Erniedrigungen in der Fabrik. Sein Abteilungsleiter musste sich um seine alte, kranke Mutter kümmern und hatte sich deshalb nur einen Gebrauchtwagen leisten können. Nun, dieser Vorgesetzte sah es nicht gern, wenn einer seiner in der Rangordnung unter ihm stehenden Mitarbeiter ein besseres Auto fuhr. Bei jeder Begegnung ließ ihn dieser Chef fühlen, dass er genau wegen des neuen Wagens in der Hand des Vorgesetzten ist. Feuerte man ihn, würde er seinen Liebling verkaufen müssen.
Wieder kein Parkplatz! Eigentlich gab es für zweihundert Wohnungen zwanzig Autoabstellmöglichkeiten. Er musste sein sauber poliertes Gefährt in den Dreck stellen. Und eine Garage konnte er sich nicht leisten. Er stieg aus und ging auf das Hochhaus zu, in dem er wohnte. Er hatte schon die Tür geöffnet, als es ihm durch den Kopf schoss, dass er vergessen hatte, die Scheinwerfer auszuschalten. Er ging zurück, die Batterie würde bis morgen leer sein. Aber alles war ausgemacht. Beruhigt bewegte er sich wieder in Richtung Haustür. Der Lift funktionierte nicht, aber warum sollte er sich wundern, auch er bezahlte die Nebenkosten für die Wartung des Hauses nicht. Er wohnte im zehnten Stock. Er musste die Treppe benutzen. Im zweiten Stock angekommen fiel ihm ein, dass er vielleicht die Türen nicht verriegelt hatte. Schnell trugen ihn seine Füße nach unten. Fahrertür, Beifahrertür, hintere Mitfahrertüren, alles in Ordnung! Beim dritten Versuch auf dem Weg in seine Wohnung erreichte er den fünften Stock, er kehrte um, weil das Radio und die Kofferraumtür kontrolliert werden musste. Als er endlich oben ankam, das machte er jeden Tag mehrmals, vielleicht war er sogar fitter, als die Spieler, für die er schwärmte, hatte die Übertragung des Fußballspiels schon begonnen. Rasch schaltete er den Fernseher ein, holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf dem Sofa nieder, um das Geschehen auf dem grünen Rasen zu genießen.
Ein Quietschen von Bremsen erweckte ihn aus seiner Sorgenlosigkeit. Hatte jemand seinen Liebling angefahren, oder wurde dieser gar gerade gestohlen? Er sprang auf, war mit einem Satz am Fenster und suchte die Gegend nach Verdächtigen ab. Nicht einmal das Schreien des Fußballreporters wegen eines Tores konnte ihn vom Fenster locken. Diese Nacht schlief er sehr schlecht, deshalb beschloss er am nächsten Morgen sofort zur Polizei zu gehen, um eine Streife für diesen Teil der Wohnsiedlung zu fordern. Außerdem setzte er noch in der Nacht einen Brief an den Gesetzgeber auf, in dem er die Erhöhung der Strafe für Autodiebstahl verlangte.

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