Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
-----------------------
|
-------------------------
|
Sich selbst betrügen
Als er da vor mir saß und erzählte, funkelten
seine traurigen Augen:
Mit zwanzig probierte ich es zum ersten Mal aus,
weil ich märchenhafte Geschichten darüber gehört hatte. Stell dir vor eine
ganze Nacht mit einem hübschen Mädchen! Am nächsten Morgen konnte sie kaum
normal laufen. Es ist richtig, dass ich nur drei Mal kam, aber anscheinend
gefiel ihr, dass sie mich die ganze Nacht in sich fühlte. Es ist wie eine
Droge, es macht psychisch abhängig. Wer möchte nicht jeden Tag dieses Gefühl
haben? Der Hormonausschuss, den man dabei fühlt, geht durch den ganzen
Körper. Ja, ein Orgasmus ist einfach großartig, oder nicht?
Ich konnte nur nicken. Er fuhr fort:
Ich probierte auch andere Mittel aus, gerade was
erhältlich war, oder ich mir eben leisten konnte. Dieser Spaß ist nämlich
nicht ganz billig. Eigentlich funktionierte auch das Training nicht so
schlecht. Damals spielte ich Fußball und Wasserball, war sportlich gebaut.
Dann stieg ich auf Body-Building um. Das passt so zusammen, ein schöner Mann,
der immer kann, das ist der Traum jeder Frau! Aber das weibliche Geschlecht
lässt sich nicht immer nur durch einen schönen Körper überzeugen. Ein
gepflegtes Aussehen, modische Kleidung, ein teures Auto, ein gutes Restaurant
oder Opernabend, eine gute Wohnung gehören dazu. Es ist erstaunlich, wie
viele Frauen nicht nur über Kleidermarken, sondern auch Automarken und ihre
technischen Daten, Wohnungen und Architektur wissen. All dies ist noch
kostspieliger als die sexuellen Hilfsmittel. Aber woher soll man die Mittel
nehmen, wenn man sie nicht stehlen will? Also fing ich an, Geldgeschäfte
anzubieten. Der versprochene Zinssatz lag meist drei bis vier Prozent höher
als der bei Banken. Man reichte mich von Hand zu Hand. Jede Krise in der
Wirtschaft, jeder Bankrott einer Firma, Ausbruch eines Krieges oder
Schwankung auf der Börse half mir, zu erklären, warum ich nicht nur die
Zinsen, sondern auch das Grundkapital nicht zurückzahlen konnte. Aber mein
Wagemut, der anscheinende Erfolg und Stil meines Lebens bewegte die Leute,
mir immer neues Geld zu überantworten. In meinem Leben sahen sie alle ihr
Ideal, reich, sportlich und viele Frauen. Die Vorstellung über einen ganzen
Mann. Aber auch ich selbst könnte mir kein besseres oder anderes Leben
denken. Was wäre ich denn ohne all das?
Jetzt machte er eine kleine Pause, schien
niedergeschlagen und müde. Irgendetwas bedrückte ihn.
Ja, heute geht es nicht mehr. Nach dreißig Jahren
wirken diese Mittel nicht mehr. Aber es gibt eine Möglichkeit!
Er hielt kurz inne und seine Augen funkelten
wieder. Er hob die Hand, wobei er den Zeigefinger ausstreckte, als ob er sag
wollte: „Achtung!“ Laut brach es aus ihm heraus:
Ein Implantat! Und zwar kein einfaches! Die
Zusammenarbeit von Medizin und Technik macht es heute möglich, in den
Unterkörper eines Mannes ein solches Ding einzubauen, das Aufknopfdruck das
Geschlechtsteil aufpumpt. Stell dir vor, du hast das Mädchen ausgezogen, sie
ist unten nass geworden, du drückst auf den Knopf, er steht und es kann
losgehen, wie auf Befehl! Wann und Wo du willst!
Er machte eine bedeutungsvolle Pause, um zu
sehen, welchen Eindruck das alles auf mich gemacht habe. Oder vielleicht sah
er auch durch mich hindurch, weil er unbekümmert in sich hineinstrahlte.
Die ganze Nacht kannst du, sie wird denken, dass
du ein Supermann bist. Natürlich kannst du selbst nicht einen Orgasmus nach
dem anderen haben, aber du kannst sie beglücken.
Und hier hätte ich eigentlich die Frage stellen
müssen: Gut, du kannst sie beglücken. Aber was macht eine Frau wirklich
glücklich? Ich selbst hätte die Frage wahrscheinlich nur unzulänglich und
unvollständig beantworten können. Zuerst fielen mir bestimmte inoffizielle
Statistiken von Psychologen und Frauenärzten ein, die besagten, dass der
Orgasmus bei Frauen wesentlich weniger körperlich abläuft, als bei Männern.
Denken wir nur an die Tatsache, dass ein Mann mehrere Frauen befruchten kann,
dass es für ihn wichtig ist, sein Erbgut möglichst weit zu verbreiten. Wäre
der sexuelle Akt für ihn nicht mit zum Beispiel einem berauschenden
Glücksgefühl verbunden, würde der Grundsatz der Evolution nicht zur Geltung
kommen. Und ihm ist es dann sehr oft egal, wer seine Nachkommen aufzieht. Bei
der Frau ist dies anders, weil sie in früheren Zeiten ihre Kinder nicht
allein durchbringen konnte, und deshalb auf die Hilfe eines Partners
angewiesen war, musste sie diesen gemäß anderer Kriterien auswählen. Sie
musste wesentlich mehr ihren Kopf benutzen, als auf ihr „Herz“ zu hören. Wenn
sie sich einem Mann hingab, war es oft keine Lust, sondern eine Entscheidung.
Einige Frauenärzte und Psychologen behaupten
sogar, dass verschiedene Frauen noch nie einen Orgasmus hatten. Sie sind
nicht die einzigen. Im Buch „Kamasutra“ steht an einer Stelle, dass Frauen
keines Orgasmus fähig sind. Solchen Beispielen aus der Literatur könnten noch
viele andere hinzugefügt werden.
Ob man diesem Glauben schenken will, steht auf
einem anderen Blatt geschrieben, aber es liegt nahe, dass für Frauen
besonders in späteren Jahren nicht unbedingt die Leistung eines Mannes im
Bett das wichtigste ist. Wenn sie dann so einen Supermann halten wollten, der
davon überzeugt ist, dass der Sex unheimlich wichtig ist, müssten sie ihn
jedes Mal mit einem vorgespielten Stöhnen betrügen, wobei er sie betrügen
würde, weil er selbst eigentlich kaum mehr einen richtigen Orgasmus hat.
|
-------------------------
|
--------------------------
|
-------------------------
|
Sunday, 27 March 2016
Monday, 21 March 2016
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Das gleiche für alle
Bei vielen Naturvölkern verlassen die Alten, Schwachen oder
Kranken die Gruppe, oder sie werden zurückgelassen, manchmal auch
ausgestoßen. Nur bei jenen? In den modernen Industrieländern gibt es
Altersheime, spezielle Krankenhäuser oder Anstalten. Viele Insassen werden
einmal pro Monat, andere überhaupt nicht besucht. Die eine Gesellschaft kann
es sich nicht leisten, einen Klotz am Bein zu haben, weil der Existenzkampf
zu hart ist. Die andere will es sich nicht erlauben, weil sie glaubt, dann im
Konkurrenzkampf mit anderen zurückzubleiben. Von wem könnte man auch
erwarten, dass er ganz ohne Belohnung sein Leben für andere aufopfert. Aber
einen großen Unterschied gibt es doch. Bei der ersten musst du nicht
erklären, warum du sterben willst, du gehst einfach.
Er zündete sich einen halben Zigarettenstummel an und nahm einen
Schluck von dem billigen Wein, nach dem sein Gehirn wieder einen kleineren
Purzelbaum schlug.
Er war schon sein langem ausgestiegen, machte es noch, solange er
das Gefühl hatte, dass es ihm nicht zu viel wurde, oder dafür zu sehr kämpfen
zu müssen. Doch jetzt wollte er nicht mehr und hatte sich in einen Teil eines
Waldes zurückgezogen, in den sich selten jemand verirrte. Dabei war es geheim
geblieben. Es hätte sowieso niemanden interessiert. Er war einfach aus der
Stadt gegangen, dann einen Feldweg entlang, später in den Wald und in das
Dickicht.
Ein neuer Schluck aus der Plastikflasche gegen die Kälte und
wieder ein geistiger Purzelbaum.
Bilder aus seiner Kindheit kamen auf. Es gab oft nichts zu Essen,
deshalb wurde das alte Brot mit ein bisschen Fett bestrichen und kurz in den
Ofen gelegt. Am sechsundzwanzigsten Dezember war es besser, weil die Christen
das, was sie nicht aßen, unter den Armen verteilten. In die Schule ging er
gern, nicht weil er den Unterricht, die Lehrer oder seine Mitschüler gemocht
hätte, sondern weil es dort einigermaßen warm und sauber war. Er beendete die
Schule mit einem mittelmäßigen Zeugnis. Für eine Berufsausbildung aber
fehlten die Möglichkeiten. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater waren
schwere Trinker, so dass unsere Hauptperson selbst seinen Unterhalt verdienen
musste, was mit der geringen Bezahlung eines Lehrlings unmöglich gewesen
wäre. Er mietete ein Zimmer in einem Arbeiterwohnheim, um aus dem Dreck
herauszukommen. Später lernte er Maria, ein lebensfreudiges Mädchen kennen.
Aber auch sie konnte in ihm nicht den Ehrgeiz wecken, einen Beruf zu erlernen
und eine Familie zu gründen, oder vielleicht liebte sie ihn nicht genug.
Obwohl er den Alkohol eigentlich hasste, weil er gesehen hatte, was er aus
seinen Eltern machte, fand er sich immer öfter in der Kneipe ein. Und so
langsam rutschte er ab, verlor seinen Arbeitsplatz, an dem man anfänglich mit
ihm doch eigentlich ganz zufrieden war.
Als er auch das Zimmer nicht mehr bezahlen konnte und auf die
Straße geriet, wurde sein Alkoholproblem nur noch größer, weil dort fast alle
tranken, um den Zustand und die Kälte zu verarbeiten. Schlechte Ernährung,
die Witterung und der übermäßige Alkoholkonsum zerstörten dann auch noch den
Rest an Widerstandskraft und Selbstwertgefühl. Als man ihn fand, waren von
ihm eigentlich nur noch die Kleidung, Knochen und ein bisschen Wein in der
Plastikflasche übrig. Wenigstens den Ort und die Zeit seines Todes hatte er
selbst gewählt.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Saturday, 19 March 2016
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334 79
74
|
------------------------------
|
James Bond – Ian Fleming
Charakteristisch für diese Filme und Bücher sind viel Aktion,
geheimnisvolle Waffen, dunkle, gefährliche Plätze und Situationen, und blonde
Frauen mit vollen Busen. Der Schriftsteller hat hier eine Phantasiewelt
geschaffen, die mit seiner eigenen Tätigkeit als Geheimagent wahrscheinlich
nicht verglichen werden kann.
Ian Fleming war Aristokrat und somit vermutlich, wie auch
Churchill der Überzeugung, dass der Faschismus in Deutschland, Italien und
Ungarn weniger schlimm sei, als der Kommunismus und gar eine Barriere gegen
jenen bilden könnte.
Schon während des spanischen Bürgerkrieges hatten Hitler und
Mussolini den Diktator Franco tatkräftig unterstützt. Auf der Seite der
Republik dagegen standen Partisanen aus ganz Europa, aber keine offiziellen
Streitkräfte Westeuropas oder Nordamerikas. Die Annahme liegt nahe, dass
Leute, wie Ian Fleming geheime Verhandlungen mit den Deutschen führten.
Hitler hoffte auf einen Frieden mit England, und die eroberten Gebiete zu
behalten. Die Engländer dagegen hätten gerne eine Front gegen Russen und
Kommunismus mit Deutschland als Rammbock aufgebaut. Was diesen Ausgleich
gestört haben könnte, war vielleicht der Eintritt Amerikas in den Krieg,
wodurch sich die Kräfteverhältnisse verschoben.
Ian Fleming war also kein wirklicher Geheimagent, sondern mehr
ein Geheimdiplomat.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Friday, 18 March 2016
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Sonntag
Schon seit Tagen hatte er sich darauf vorbereitet. Nein,
eigentlich schon seit Monaten. Oder noch besser, seit Jahren. Dieser große
Tag, an dem er seinen Eintritt in die große Welt und höhere Gesellschaft
machen würde.
Bereits mit 7 Jahren, wenn seine Mutter ihn mit dem Müllsack zur
Mülltonne schickte, zog er seine besten Schuhe und Hose mit Hemd an, kämmte
sich die Haare vor dem Spiegel und versteckte den Sack in seiner Schultasche,
damit die Nachbarn es nicht bemerkten.
Deshalb nannten ihn seine Familienmitglieder nur das
Sonntagskind. Dieser Spitzname wurde später in Herr Sonntag umgeändert, weil
er sich darüber beschwerte, dass man ihn noch immer Kind schimpfte.
Seine Schulfreunde lud er nie zu sich nach Hause ein, weil er
sein Zimmer mit seinen Brüdern und Schwestern teilen musste, eigentlich nur
ein Bett und einen halben Schrank besaß. Aber da war Ordnung, jedes
Kleidungsstück, sogar die Socken und Unterhosen gebügelt und sorgfältig
zusammengelegt.
Wenn es in der Schule eine Veranstaltung gab, erwähnte er es zu
Hause aus Angst nicht, um zu verhindern, dass jemand aus seiner Familie dort
erschien und dadurch jemand im Bildungszentrum erfuhr, woher er wirklich kam,
oder wie er tatsächlich lebte. Ja, er schämte sich seiner Herkunft.
Von seinem Onkel, der wegen Betrug und Hinterziehung im Gefängnis
gewesen war, lernte er Tricks, wie man Leuten glauben macht, dass man jemand
anders war, oder jemand anders sei, oder wie man in ihnen Vertrauen erweckt.
Ein Lehrer in der Schule zeigte ihm die Bibliothek und eine Reihe
von Büchern, die man unbedingt lesen sollte. Er betrachtete mit großen Augen
die langen Regale, schätzte, dass dies ein jahrelanges Studium in Anspruch
nehmen würde, und beschloss lieber anderen Leuten zuzuhören, die dies alles
für ihn gedanklich zusammenfassen würden. Sein Glück bestand dann im
Allgemeinen darin, dass die meisten, mit denen er in Kontakt trat, noch
weniger als er gelesen hatten und deshalb nicht kontrollieren konnten, ob es
wirklich stimmte, was er von sich gab.
Schnell lernte er, dass es nützlich war, sich den mächtigen zu
nähern, weil da früher oder später immer ein paar Krümel abfielen. Aber wo
fand man diese reichen, einflussreichen Leute? Natürlich in der Kirche, wo
der Pfarrer auch sofort Ratschläge gab, welche politische Partei zu wählen
sei. Mit Kokarde am Anzug spielt er einmal die Woche den Andächtigen.
Mit fortschreitendem Alter wurde in ihm auch der Wunsch wach, das
Gefühl eines Mannes zu erproben. Er war aber so geizig Geld und Zeit in eine
Bekanntschaft mit einer Frau zu investieren, dass sich keine finden ließ. Bei
den Mädchen seines eigenen Standes hätte er wahrscheinlich besser Aussichten
gehabt, wenn er nicht auf sie herabgeschaut hätte. Deshalb fand er sich, je
nach dem, was sein Geldbeutel erlaubte, inkognito im Freudenhaus ein.
Und heute an diesem großen Tag sollte er endlich ans Licht der
Öffentlichkeit treten. Man hatte ihn gebeten, bei der Eröffnung des neuen
Stadions im Vorgarten des Führers, die Schere zu halten, mit der das
Oberhaupt das Band zum Eingang zerschnitt.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Friday, 11 March 2016
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334 79
74
|
------------------------------
|
Der große Preis
Es war eine kleine, örtliche Firma. Sie produzierte
Mineralwasser, oder besser, sie füllte das aus der Tiefe hervorquellende,
gesunde Nass in Plastikflaschen ab und belieferte damit das
Gaststättengewerbe und die Lebensmittelgeschäfte in der örtlichen Umgebung.
Dies war nach dem Kriegsende ein langsam aufkommendes Konzept,
weil wegen der steigenden Grundwasserverschmutzung durch Düngemittel das
Ausheben von neuen Brunnen gesetzlich verboten wurde und Leute bei steigendem
Einkommen kein Leitungswasser mehr trinken wollten. Vor allem Sprudel war der
große Schlager, dabei reicherte man das Tiefquellwasser einfach mit
Kohlensäure an.
Nach langer Geschäftszeit ohne Konkurrenz erschienen
Supermarktketten auch in den kleineren Städten, gar in größeren Dörfern.
Anfangs stiegen die Bestellungen, weil es für diese Großunternehmen billiger
war, sich örtlich zu versorgen. Aber dann begannen die Einkaufsketten die
Wasserquellen aufzukaufen und ihr eigenes Emblem draufzukleben. Die Werbung
in Funk und Fernsehen taten den Rest. Bald wollten die Leute nur noch
Markenwasser genießen, obwohl dieses nach der Meinung des Eigentümers des
Familienbetriebes auch nur Wasser war.
Sein Großvater war damals nach dem Krieg zur richtigen Zeit der
richtige Mann am richtigen Platz gewesen und hatte die Konzession dafür
ergattert. Lange Zeit hatte man auch gute Verbindungen zu Persönlichkeiten in
den verschiedenen Ämtern.
Aber irgendetwas machten diese großen Unternehmen besser. Immer
wieder studierte man deren Verkaufsstrategien und Produkte. Auffallend waren
die vielen Informationen über Umweltschutz und Wettbewerbe, bei denen die
Produkte gewonnen hatten. Die Preisvergeber waren zwar in allen Fällen völlig
unbekannt, trotzdem wirkte es imposant, wenn die Preise auf den Waren
glitzerten. Die Frage stellte sich, wie man zu so einer Auszeichnung kam.
Briefe wurden an die Ausschreiber versendet und gespannt wartete man auf
Antworten. Diese blieben doch in den meisten Fällen aus, oder der Betrag für
die Teilnahme war unverschämt hoch. Man fand sehr oft heraus, dass die
Prüfungskommission nur aus einer Person in einem Minibüro bestand.
Deshalb fasste man den Entschluss, es denen gleich zu tun. Ein
Angestellter der Firma wurde in eine ausländische Großstadt geschickt, in der
er eine winzige Wohnung mietete, dann bei den Behörden eine Firma eintragen
ließ, die sich angeblich mit Warenprüfung beschäftigt, bestellte bei einer
Druckerei ein Emblem und einige Formulare, schickte eine Siegerurkunde und
ein Muster des Emblems an seine Heimatfirma. In großem Format wurde das
Preisemblem auf den Plastikflaschen angebracht. Die Verkaufszahlen stiegen
wieder ein bisschen, weil die Leute davon beeindruckt waren.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Monday, 7 March 2016
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Sechsundfünfzig
Geboren neunzehnhunderteinundzwanzig, jetzt zweitausendeins sah
er sich verlassen, von seinem Weltbild, seiner Umgebung, sogar von seinen
Enkeln. Etwas, wogegen er sein ganzes Leben gekämpft hatte, war wieder im
Kommen, der Faschismus. Heute wollten sie in ihm ein Schuldgefühl für etwas
erwecken, was er sechsundfünfzig getan hatte und jetzt erneut begehen würde,
nämlich gegen den Faschismus und Rassismus aufzutreten.
Das Horthy-Regime war für ihn ein Albtraum gewesen, seinen besten
Schulfreunden war die Aufnahme an der Universität verweigert worden. Später
am Arbeitsplatz hatte man Juden angezeigt, die dann plötzlich verschwanden.
Und dann kam schließlich der Eintritt in einen sinnlosen Krieg an der Seite
eines Massenmörders. Er selbst wurde an die russische Front geschickt, wo er
sah, wie die Leute der Arbeitskommandos, meistens Juden oder Regime-Gegner,
wie die Fliegen dahinstarben. Die ungarischen, regulären Truppen benahmen
sich gegenüber den Ukrainern nicht viel besser, als die Deutschen. Die Slaven
waren für sie nur Untermenschen, und deren Frauen und Töchter zu
vergewaltigen, war keine Sünde. Der Horthy-Faschismus hatte die Ungarn zu
Tieren gemacht.
Er war einer der wenigen, die das überlebten. Um zu verhindern,
dass man ihn noch einmal einberuft, ging er in den Untergrund. Aber dieser
war klein. Die Ungarn unterstützten ihren Horthy und später Szállasi. Als die
Russen im Land eintrafen, musste er feststellen, dass sie nicht nur gekommen
waren, um die Welt vom Faschismus zu befreien, sondern auch um sich zu
rächen. Er versuchte für sie eine Entschuldigung zu finden: „Schließlich
hatten die Ungarn angegriffen und sich wie Tiere benommen.“ Natürlich merkte
er selbst, dass dies nicht vertretbar war, aber er war überzeugt, dass die
Russen weniger schlimm waren, als die Horthy-Faschisten. Den Beweis dafür
lieferte ein genaueres Studium der Geschichte.
Die ersten Nachkriegsjahre bekämpfte er alles, was
Rechtsgerichtet war, auch wenn er sich immer wieder die Frage stellte, ob es
richtig sei. Und dann kam Sechsundfünfzig und Nagy Imre. Ein Drahtseiltanz
zwischen Russen und Faschisten. Nagy hatte keine Chance, zu gewinnen. Viele,
nicht alle, ließen da auf der Straße die alten Stimmen aus der Vorkriegszeit
hören, nachdem es in verschiedenen Dörfern und Städten Ungarn zwischen
sechsundvierzig und neunundvierzig erneut Judenpogrome gegeben hatte. Die
Schrecken dieses Alptraumes erschienen wieder vor seinen Augen und er schoss.
Einfach in die Menge hinein! Die Faschisten sollten nicht noch einmal
gewinnen. Als dann russische Panzer auftauchten, zog er sich zurück. Daran
wollte er nicht mehr teilnehmen. Später schlug man ihn für verschiedene
Auszeichnungen vor,die er ablehnte. Er sprach auch nie mit jemandem darüber,
weil er nicht darauf stolz war, aber wusste, dass er das einzig Richtige
getan hatte.
Das Leben ging weiter, er arbeitete, versuchte, wie jeder andere,
ein guter Familienvater zu sein. Sein Sohn wurde ganz anders, wie er, lehnte
sich ständig gegen das Kádár-Regime auf. Manchmal kam es zwischen ihnen zum
Streit, später zum Bruch. Sein Sohn zog aus und besuchte die Mutter nur dann,
wenn der Vater nicht zu Hause war. Zwei verschiedene Generationen mit
verschiedenen Lebenserfahrungen. Seinen Enkel sah er nur ganz selten, wenn
sein Sohn ihn über das Wochenende oder die Ferien bei der Großmutter ließ.
Und deshalb gelang es Großvater und Enkel nicht, eine vertrauliche Beziehung
aufzubauen.
Beim Systemwechsel schrien viele danach, die Verbrecher, wie sie
sie nannten, vor Gericht zu stellen. Vor allem solche, die keine Ahnung
hatten und dies nur für politische Ziele nutzen wollten. Aber der Ungar hatte
aus seiner Geschichte schon wieder nichts gelernt und ließ sich an der Nase
herumführen. Aber als einmal sein erwachsen gewordener Enkel zu Besuch kam
und ihn direkt anklagte, wurde es ihm zu viel. Der Enkel hatte dabei
vergessen, dass auch der Vater ein guter Kádárist war, obwohl er hinter dem
Rücken der Leute anders gesprochen hatte. Der Großvater stand auf, ging in
seine Garage und werkte etwas. Sein Enkel fasste dies als Eingeständnis auf.
Ein paar Jahre später starb er und redete, wie alle Leute vor ihrem Tod, im
Halbtraum sehr viel durcheinander. Der Enkel sollte ein paar Jahre darauf
erzählen, dass sein Großvater unter großen Gewissensbissen gelitten habe.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Tuesday, 1 March 2016
152) Sicherheit
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Sicherheit
Er kam gerade aus der Fabrik, acht Stunden
monotone Arbeit neben der Maschine, drei Schichten, einmal von sechs bis
vierzehn Uhr, dann von vierzehn bis zweiundzwanzig Uhr und ein andermal von
zweiundzwanzig bis sechs Uhr.
Aber es lohnte sich, die Bank bewilligte ihm
endlich den Kredit für sein Traumauto. Kein Porsche, weil natürlich auch
seine Frau und Kinder darin Platz haben mussten. Trotzdem machten sie lange
Gesichter, als sie erfuhren, dass es in den nächsten sechs Jahren keinen
Sommerurlaub am See mehr geben sollte, weil sonst die Zahlungsraten nicht
beglichen werden konnten.
Auf dem Parkplatz des eingezäunten Fabrikgeländes
stand sein Auto, sogar mit Sicherheitsbeamten. Auf diese Weise konnte er
wenigstens ruhig arbeiten, weil er wusste, dass niemand an seinen Wagen
herankommen würde. Angekommen bei seinem Prachtstück ging er einmal herum, um
es zu bewundern und sich zu versichern, dass keiner seinem Liebling beim
Einparken eine Schramme zugefügt hatte. Langsam rauchte er seine Zigarette zu
Ende, sein nobles Gefährt mit ungeheurer Pferdestärke sollte doch sauber
bleiben. Auch seine Frau und Kinder machte er immer darauf aufmerksam, nicht
mit schmutzigen Schuhen einzusteigen.
Der Schlüssel schlüpfte fast von selbst in die
Mündung und mit einer kleinen Bewegung öffneten sich automatisch alle Türen.
Das Radio drinnen war auf seinen Fußballsender eingestellt, „Immer am Ball“
hieß die Devise. Wenn er seinen Kindern einen normalen Computer gekauft
hätte, könnte er jetzt die Spiele im Internet anschauen. Wozu hatte man denn
einen Fernseher. Dabei musste er sich aber leider nach den Sendezeiten
richten.
Sein Verein hatte wieder verloren, doch in dem
neuen Auto hörte sich die Nachricht weniger erschütternd an, er pfiff sogar
noch ein kleines Lied, das bei Spielen aus voller Kehle nicht gesungen,
sondern gebrüllt wurde.
„Hei, du Idiot! Warum gehst du gerade jetzt über
die Straße? Willst du vielleicht, dass ich meine Bremsen und Autogummis
abnutze?“ Der Fußgänger sprang erschrocken auf den Gehsteig zurück. Wussten
die denn nicht, dass er ein neues Auto hat? Er fühlte, die ganze Welt drehe
sich nur um ihn. Die Nachrichten im Radio berichteten, dass die
Orbán-Regierung in Ungarn, eine Grundgesetzänderung wegen der Terroristengefahr
vornehmen wolle, aber dass dies eigentlich gegen die eigenen Bürger gerichtet
ist, um Demonstrationen zu verhindern. „Das bräuchten wir hier auch!“ –
dachte er bei sich. „Die haben doch 2006 in Budapest auch Autos angezündet.
Es ist ein Witz der Geschichte, dass genau die, die damals den Schaden
verursacht hatten, jetzt an der Regierung so etwas mit Gesetzen verhindern
wollten. Das Gesetz und die Polizei als Druckmittel.“
Schließlich kam er in der Wohnsiedlung an.
Zehnstöckige Betonhäuser soweit das Auge reichte. Stolz fuhr er durch den
Dschungel. Alle mussten einen neidischen Blick auf seine Errungenschaft
werfen. Das entschädigte ihn für die täglichen Erniedrigungen in der Fabrik.
Sein Abteilungsleiter musste sich um seine alte, kranke Mutter kümmern und
hatte sich deshalb nur einen Gebrauchtwagen leisten können. Nun, dieser
Vorgesetzte sah es nicht gern, wenn einer seiner in der Rangordnung unter ihm
stehenden Mitarbeiter ein besseres Auto fuhr. Bei jeder Begegnung ließ ihn
dieser Chef fühlen, dass er genau wegen des neuen Wagens in der Hand des
Vorgesetzten ist. Feuerte man ihn, würde er seinen Liebling verkaufen müssen.
Wieder kein Parkplatz! Eigentlich gab es für
zweihundert Wohnungen zwanzig Autoabstellmöglichkeiten. Er musste sein sauber
poliertes Gefährt in den Dreck stellen. Und eine Garage konnte er sich nicht
leisten. Er stieg aus und ging auf das Hochhaus zu, in dem er wohnte. Er
hatte schon die Tür geöffnet, als es ihm durch den Kopf schoss, dass er
vergessen hatte, die Scheinwerfer auszuschalten. Er ging zurück, die Batterie
würde bis morgen leer sein. Aber alles war ausgemacht. Beruhigt bewegte er
sich wieder in Richtung Haustür. Der Lift funktionierte nicht, aber warum
sollte er sich wundern, auch er bezahlte die Nebenkosten für die Wartung des
Hauses nicht. Er wohnte im zehnten Stock. Er musste die Treppe benutzen. Im
zweiten Stock angekommen fiel ihm ein, dass er vielleicht die Türen nicht
verriegelt hatte. Schnell trugen ihn seine Füße nach unten. Fahrertür,
Beifahrertür, hintere Mitfahrertüren, alles in Ordnung! Beim dritten Versuch
auf dem Weg in seine Wohnung erreichte er den fünften Stock, er kehrte um,
weil das Radio und die Kofferraumtür kontrolliert werden musste. Als er
endlich oben ankam, das machte er jeden Tag mehrmals, vielleicht war er sogar
fitter, als die Spieler, für die er schwärmte, hatte die Übertragung des
Fußballspiels schon begonnen. Rasch schaltete er den Fernseher ein, holte
eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf dem Sofa nieder, um
das Geschehen auf dem grünen Rasen zu genießen.
Ein Quietschen von Bremsen erweckte ihn aus
seiner Sorgenlosigkeit. Hatte jemand seinen Liebling angefahren, oder wurde
dieser gar gerade gestohlen? Er sprang auf, war mit einem Satz am Fenster und
suchte die Gegend nach Verdächtigen ab. Nicht einmal das Schreien des
Fußballreporters wegen eines Tores konnte ihn vom Fenster locken. Diese Nacht
schlief er sehr schlecht, deshalb beschloss er am nächsten Morgen sofort zur
Polizei zu gehen, um eine Streife für diesen Teil der Wohnsiedlung zu
fordern. Außerdem setzte er noch in der Nacht einen Brief an den Gesetzgeber
auf, in dem er die Erhöhung der Strafe für Autodiebstahl verlangte.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
Subscribe to:
Posts (Atom)