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Das gleiche für alle
Bei vielen Naturvölkern verlassen die Alten, Schwachen oder
Kranken die Gruppe, oder sie werden zurückgelassen, manchmal auch
ausgestoßen. Nur bei jenen? In den modernen Industrieländern gibt es
Altersheime, spezielle Krankenhäuser oder Anstalten. Viele Insassen werden
einmal pro Monat, andere überhaupt nicht besucht. Die eine Gesellschaft kann
es sich nicht leisten, einen Klotz am Bein zu haben, weil der Existenzkampf
zu hart ist. Die andere will es sich nicht erlauben, weil sie glaubt, dann im
Konkurrenzkampf mit anderen zurückzubleiben. Von wem könnte man auch
erwarten, dass er ganz ohne Belohnung sein Leben für andere aufopfert. Aber
einen großen Unterschied gibt es doch. Bei der ersten musst du nicht
erklären, warum du sterben willst, du gehst einfach.
Er zündete sich einen halben Zigarettenstummel an und nahm einen
Schluck von dem billigen Wein, nach dem sein Gehirn wieder einen kleineren
Purzelbaum schlug.
Er war schon sein langem ausgestiegen, machte es noch, solange er
das Gefühl hatte, dass es ihm nicht zu viel wurde, oder dafür zu sehr kämpfen
zu müssen. Doch jetzt wollte er nicht mehr und hatte sich in einen Teil eines
Waldes zurückgezogen, in den sich selten jemand verirrte. Dabei war es geheim
geblieben. Es hätte sowieso niemanden interessiert. Er war einfach aus der
Stadt gegangen, dann einen Feldweg entlang, später in den Wald und in das
Dickicht.
Ein neuer Schluck aus der Plastikflasche gegen die Kälte und
wieder ein geistiger Purzelbaum.
Bilder aus seiner Kindheit kamen auf. Es gab oft nichts zu Essen,
deshalb wurde das alte Brot mit ein bisschen Fett bestrichen und kurz in den
Ofen gelegt. Am sechsundzwanzigsten Dezember war es besser, weil die Christen
das, was sie nicht aßen, unter den Armen verteilten. In die Schule ging er
gern, nicht weil er den Unterricht, die Lehrer oder seine Mitschüler gemocht
hätte, sondern weil es dort einigermaßen warm und sauber war. Er beendete die
Schule mit einem mittelmäßigen Zeugnis. Für eine Berufsausbildung aber
fehlten die Möglichkeiten. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater waren
schwere Trinker, so dass unsere Hauptperson selbst seinen Unterhalt verdienen
musste, was mit der geringen Bezahlung eines Lehrlings unmöglich gewesen
wäre. Er mietete ein Zimmer in einem Arbeiterwohnheim, um aus dem Dreck
herauszukommen. Später lernte er Maria, ein lebensfreudiges Mädchen kennen.
Aber auch sie konnte in ihm nicht den Ehrgeiz wecken, einen Beruf zu erlernen
und eine Familie zu gründen, oder vielleicht liebte sie ihn nicht genug.
Obwohl er den Alkohol eigentlich hasste, weil er gesehen hatte, was er aus
seinen Eltern machte, fand er sich immer öfter in der Kneipe ein. Und so
langsam rutschte er ab, verlor seinen Arbeitsplatz, an dem man anfänglich mit
ihm doch eigentlich ganz zufrieden war.
Als er auch das Zimmer nicht mehr bezahlen konnte und auf die
Straße geriet, wurde sein Alkoholproblem nur noch größer, weil dort fast alle
tranken, um den Zustand und die Kälte zu verarbeiten. Schlechte Ernährung,
die Witterung und der übermäßige Alkoholkonsum zerstörten dann auch noch den
Rest an Widerstandskraft und Selbstwertgefühl. Als man ihn fand, waren von
ihm eigentlich nur noch die Kleidung, Knochen und ein bisschen Wein in der
Plastikflasche übrig. Wenigstens den Ort und die Zeit seines Todes hatte er
selbst gewählt.
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Monday, 21 March 2016
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