178) III) Guten Morgen
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III) Guten Morgen
„Du hast Recht, wenn du sagst,
dass jeder diesen Kampf selbst ausfechten muss, aber der größte Schritt ist
wahrscheinlich nicht einmal die Selbstemanzipation.“ – „Wie verstehst du das?
Ist nicht jeder für sich selbst sein größtes Hindernis?“ – „Es ist doch ein
Unterschied, ob dir jemand hilft, sich gleichgültig verhält oder dir Steine
in den Weg legt. Sehr viele, die den Sprung aus der Dunkelheit in die
Freiheit geschafft haben, sind stolz und glücklich, über anderen zu stehen,
nicht mehr die letzten zu sein, und sehr darauf bedacht, ihre Position, gegen
alles, was von unten nach oben strebt, gegen die Oberen hätten sie ja sowieso
keine Chance, zu schützen. Alle haben den Wunsch, etwas Besseres zu als ihr
nächster zu sein.“ – „Du bist zwar kein Psychologe, aber ein sehr guter
Beobachter. Diese Beschreibung gilt auch für die türkische Gesellschaft. Als
ob sie alle eine Rangordnung, eine Hierarchie brauchen würden.“ – „Wenn du
dich nicht mit oder in dir selbst bestimmen kannst, beginnst du Vergleiche
anzustellen.“ – „Dann baust du deine Selbstbestimmung wegen fehlenden
Selbstvertrauens auf der Unterdrückung anderer auf.“ – „Wie bringt man
jemanden dazu, unabhängig zu denken und handeln? Wie war das bei dir?“ – „Es
genügt nicht, sich anderen gegenüber liberal zu verhalten. Der Liberalismus
besteht grundsätzlich eigentlich nur darin, sich nicht mit anderen zu
beschäftigen. Du musst ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst zu entfalten.
Du muss sie darauf aufmerksam machen, wozu sie fähig sind. Mir zum Beispiel
haben verschiedene Lehrer geholfen. Das war viel Arbeit mit kleinen Schritten
und Erfolgen. Sie halfen mir, langsam ein Selbstvertrauen aufzubauen.“ – „Hm!
Der Liberalismus war anfänglich eine Freiheitsbewegung gegen Adel und
neureiche Bürger und veraltete Gesellschaftsnormen. Auf allen Gebieten der
Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft.“ – „Sie behinderten andere nicht, aber sie
versuchten auch nicht anderen zu helfen. Alle sprinteten sie den Berg hinauf,
einige waren erfolgreich. Aber sie ließen die Massen zurück und verloren den
Kontakt zu ihnen.“ – „Und so kamen dann Populisten, die diesen
Zurückgebliebenen irgendeine Hoffnung in Form eines ideologischen Blödsinns
eintrichterten.“ – „Ich weiß, was du denkst. Auch du bist enttäuscht. Nicht
weil du zurückgeblieben wärest, sondern weil du keine Lust hast, dich mit
anderen abzugeben. Eigentlich bist du faul und möchtest deine Zeit nur mit
Sachen verbringen, die dich inspirieren. Aber du kannst nicht aussteigen,
selbst wenn du dich auf einer einsamen Insel verstecken würdest.“ – „Was soll
ich tun? Eine Revolution anzetteln?“ – „Du bist kein Egoist, sondern nur ein
Einsiedler, sprichst gern mit Leuten, aus diesen Gesprächen und Beobachtungen
schöpfst du deine Ideen, brauchst aber viel Zeit für dich selbst. Eine
Familie kannst du nicht gründen, dazu bist du nicht der Richtige. Du bist
geboren, ein Licht in der Ferne, ein Symbol zu sein.“ – „Du bist wenigstens
ein genauso guter Beobachter, wie ich. Aber was willst du dann mit mir?“ –
„Ich möchte mich nicht von dir heiraten lassen, oder mich mit dir verheiraten.
Dafür suche ich mir einen anderen. Aber bevor ich mich für einen entscheide,
brauche ich noch ein bisschen Unterricht, Hoffnung und Licht. Vielleicht
erziehe ich mein Kind oder Kinder auch allein.“ – „Wäre das das Ergebnis
meines Liberalismus? Der Mensch würde am Ende vereinsamt leben und sterben.“
– „Ich sehe die Sache oder Zukunft nicht ganz so schwarz. Was ist natürlich?
Bei den Menschenaffen gibt es ein Männchen dem alle Weibchen folgen. In Nepal
haben mehrere Männer gemeinsam eine Frau, weil sie sie nur so ernähren
können. Aber erst seit der Mensch die Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen,
nachzudenken, um dann wieder mit anderen zusammenzukommen, um diese Gedanken
auszutauschen, geht die Entwicklung immer schneller voran. Er sitzt wie ein Huhn
auf seinen Ideen und brütet sie aus. Aber daran muss sich der Mensch
natürlich zuerst gewöhnen.“ – „Naja, er hat sich daran gewöhnt, im Dorf,
später in der Stadt oder im Staat zu leben. Natürlich oder normal ist, was
wir gerade haben. Ein heutiger Mensch würde in einer mittelalterlichen
Gesellschaft seelisch zugrunde gehen.“
„Aber sag mal! Du möchtest
deine Kinder allein erziehen, allein leben. Das klingt fast wie eine Emanze!“
– „Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, wäre ich jetzt vielleicht enttäuscht.
In einer liberalen Gesellschaft kann jeder so leben, wie es ihm beliebt. Der
eine ist homosexuell, der andere braucht eine unterwürfige Frau, oder sie
braucht einen richtigen Macho, der ihr jeden Abend so wirklich den Hintern
versohlt. Jeder soll bekommen, was er oder sie will. Besonders aus den neuen,
osteuropäischen Mitgliedstaaten kommen sehr viele sowohl Männer, als auch
Frauen. Die Frauen dieser Länder passen sich besser an die neue Umgebung an,
merken sehr schnell, dass der westeuropäische Mann meist keine Emanze, aber
auch keine Sklavin haben will. Der osteuropäische Mann dagegen scheint,
nichts gelernt zu haben. Einem Goethe kann ich es nicht mehr übel nehmen,
wenn er vor zweihundert Jahren seinem Faust in den Mund legte: „Liebe
Margarethe, wenn du nicht willst, so gebrauche ich Gewalt!“ Vor allem weil er
damit wahrscheinlich nur ausdrücken wollte, dass er sie über alles begehrte,
aber ihr niemals wehtun würde. Diese Männer aus Osteuropa wiederum versuchen
auch gar nicht, die hiesigen Frauen zu verstehen, und sind dann empört, wenn
sie zurückgewiesen werden. Danach erzählen sie allen möglichen Blödsinn über
westliche Frauen. Das geht vom ‘Sie seien prüde.‘ bis zu ‘Die wissen gar
nicht, was eine richtige Familie sei.‘“ – „Aber was für eine Lösung siehst
du?“ – „Du würdest natürlich am liebsten alles stehen und liegen lassen und
einfach aussteigen. Aber da kannst du sicher sein, dass es dich einholt. Das
extremste sind Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen. In sehr
vielen Städten und Ländern gibt es Ghettos. Die Reichen und Mittelständischen
begeben sich nicht dorthin, weil sie Angst haben. In ihren eigenen
Wohnbezirken haben sie an jeder Ecke Kameras und Sicherheitspersonal. Dort
fristen sie ihre Tage, wie in einem Luxusgefängnis, und merken nicht, dass
das auch für sie selbst nicht mehr gut ist.
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Monday, 1 August 2016
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