181) I) Wie schön wäre es doch
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I) Wie schön wäre es doch
Noch ein Strich hier, ein
wenig Puder da. Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht! –
hätte der sie Murmeln hören, der neben ihr gesessen hätte. „Oh, wie wunderbar
wäre es, ein Mann zu sein!“ – dachte sie, aber erinnerte sich sofort daran,
was ihr Exmann immer über Anzug und Krawatte gesagt hatte. Er hasste diese
Maskerade. „Die, mit den teuersten Anzügen, blankpolierten Lackschuhen,
perfekt rasiert und gestriegelt, die sind alle link, haben kein Rückgrat,
küssen die Füße der Vorgesetzten, sind hinterlistig gegenüber den Kollegen
und treten nach allem, was unter ihnen steht.“ Genau darum hatte sie ihn
eigentlich verlassen, er hatte keinen Charakter, keine Persönlichkeit, war
ein richtiger Karrieremann. Hatte der überhaupt eine eigen Meinung? Aber zu
seiner Zeit zog sie sich solide an. Das war die Erwartung in seinen Kreisen
gewesen. Sie lächelte wie auf Knopfdruck. Deshalb ging sie damals einmal in
der Woche wegen Gesichtsmassage zum Kosmetiker. Der musste nämlich den Krampf
aus den Gesichtsmuskeln herausmassieren. Einmal hatte er ihr vorgeschlagen,
nach jeder Stunde Lächeln in eine Zitronenfrucht zu beißen, weil das die
Muskelstränge wieder in die andere Richtung ziehen würde. Dabei hatte sie
dann von Herzen lachen müssen.
Ihre nächste Bekanntschaft
war ein richtiger Macho, eifersüchtig. Aber der nahm wenigstens Viagra, um im
Bett gut zu sein. Einmal machte er es eine ganze Nacht, sie konnte am
nächsten Tag kaum laufen. Heute erinnerte sie nur die Goldkette an diese
Zeit, aber leer war ihr Leben auch mit ihm. Zuerst ein Affe im Anzug und dann
ein Stier. Aber sie hatte damals sexy Kleidung getragen, wirklich weiblich.
Der dritte war ein
Liberaler. Man hörte ihn viel davon plaudern, dass die Frauen
gleichberechtigt seien, ihren eigenen Weg finden müssen. Sie bekam, keine
Blumen, musste oft allein aufstehen, und das Wochenende verbrachte man mit
Gesellschaftsarbeit. Das war meist eine Demonstration oder Diskussionsgruppe.
Wie sie leider feststellen musste, beschäftigte sich dieser Mann ohne
Vorurteile mit sehr vielen und interessanten Dingen, nur für sie hatte er
überhaupt keine Augen. Sie lebte einfach neben ihm hin.
Man bräuchte vielleicht eine
Mischung aus diesen dreien. Oder, hm? Anstatt: „Ich denke, also bin.“ nur:
„Ich bin der Mann, den ich habe.“? Hatte sie denn nichts gelernt? Selbst
Karriere mache? Sie sieht das an ihrer Freundin, die ist auch nicht
ausgeglichener oder zufriedener. Dann gab es da eine mit fünf Kindern, eine
andere mit einem. So kleine Dinger bedeuten viel Freude, aber man, oder
besser Frau, ist da absoluter Sklave! Der Sinn des Lebens, oder der Sinn der
Frau ist die Vermehrung? Gibt es da denn nichts bei dem man oder Frau sich
wirklich wie eine Frau fühlen kann, mit etwas Kreativität, Abwechslung,
interessant. Stattdessen saß sie hier vor dem Spiegel und malte sich
Grimassen ins Gesicht.
II) Wie schön wäre es doch
Schon im Kindergarten
stellte er sich immer in die Reihe, tat sofort, was die Tante dort sagte. In
der Schule lernte er wie ein Musterknabe, war nur als Streber bekannt. Die
Uni absolvierte er in Rekordzeit. Und weil er an seinem ersten Arbeitsplatz
sogleich verstand, wie es dort lief, gemeint sind hier Krawatte und Füße
küssen, wurde er bald Abteilungsleiter. Beim jährlichen Betriebsfest stellte
man ihn dem Betriebsratsvorsitzenden vor. Was für eine Karriere! Aber er
hatte überhaupt von nichts eine Ahnung, führte nur die Befehle aus und niemand
außer der Vorgesetzten schwärmte für ihn, als …….
Tja, was war das eigentlich
gewesen, dieser Vorfall? Er lag am Palmenstrand, nicht vom Luxushotel, in
Badehose. Zuerst weiß wie Schnee und nach einer halben Stunde rot wie ein
Krebs. Eine Gruppe junger Leute machte gerade in der Nähe unter Palmen eine
Party. Sie waren alle schokoladenbraun, liefen, sprangen, schwammen und
spielten Strandvolleyball. Als er sich dorthin begab, wurde er ausgelacht. Ja
richtig! Ohne Anzug und Firma sah er wirklich witzig aus. Und überall in dem
Touristendorf versuchte man ständig, ihm irgendeinen Ramsch anzudrehen. Er
musste etwas ändern!
Wieder zu Hause angekommen,
ging er ins Fitness-Center und ließ sich beraten. Man fertigte einen
Trainingsplan an und gab ihm eine Adresse, wo er bestimmte Mittel kaufen
sollte. Mit Spritze, Ernährungsergänzungsmitteln und Viagra ausgestattet
begann er sein neues Leben. Natürlich durfte auch Solarium, die richtige
Kleidung und Goldkette nicht fehlen. Nach einem Jahr sah er aus wie ein Striezel.
Ein sportliches Auto tat den Rest, um beim weiblichen Geschlecht anzukommen.
Vor allem Frauen zwischen dreißig und fünfunddreißig, die gerade ihre
Scheidung mit einem Karrierefreak hinter sich hatten, bildeten seine
Hauptbeute. Mit fünfunddreißig gab es einen kleinen Zusammenbruch, weil sein
Stoffwechsel die vielen Wirkstoffe nicht mehr verarbeiten wollte.
Was blieb ihm übrig, als
wiederum sein Leben völlig zu ändern. Nach einer Rehabilitationszeit von
einem Jahr fühlte er sich erneut ganz gesund, ging in der Woche zweimal
schwimmen, dreimal joggen, ernährte sich gesund und lief weniger den
Frauenröcken hinterher.
Doch was sollte jetzt die
ideologische Grundlage bilden? Rechtsgerichtet? Das waren nur Schreihälse,
die wie Hunde nur dann angriffen, wenn sie in der Überzahl waren, sonst sich
aber als Feiglinge erwiesen. Vielleicht religiös? Er begann, die Bibel zu
studieren. Ein interessantes Geschichtsbuch. Der jüdische Gott war manchmal
ziemlich brutal gewesen. Und Jesus? Der war intolerant. Wie kann auch jemand
so etwas sagen: „Wenn du nicht für mich bist, so bist du wider mich.“? Aber
sonst, hm. Wissen die heutigen, sich selbst so nennenden Christen überhaupt,
was in diesem Buch geschrieben steht? Er musste feststellen, dass er ziemlich
der einzige war, der dieses Werk wirklich von der ersten bis zur letzten
Seite gelesen hatte.
Jetzt blieb nur noch
Esoterik, Liberal, Alternativ. Die Esoteriker! Zuerst musste er sich darüber
informieren, was dieses Wort eigentlich bedeutet. „Die Eingeweihten“ –
besagte das Lexikon, ein altgriechisches Wort. In den Regalen der
Buchhandlungen fand er unter dieser Rubrik Verschwörungstheorien, vermischt
mit Mystizismus und östlichen Religionen. Viele fraßen das wie Zucker, hatten
dabei ein verzogenes Lächeln, wie ein buddhistischer Mönch auf dem Gesicht,
aber eigentlich keine Ahnung von irgendetwas. Naja, wenn ihnen das genügte,
doch ihn befriedigte das nicht.
Bei den Alternativen erging
es ihm nicht viel besser, eine Anzahl an aberwitzigen Ideen und
Vorstellungen, die sehr schön klangen, aber bei genauerem Hinsehen einfach zu
flach waren. Und die Liberalen? Seine letzte Hoffnung! Grundsätzlich
interessierten die sich eigentlich für nichts. Ihr Leitspruch ließe sich so
zusammenfassen: „Tritt mir nicht auf die Füße, damit ich mich nicht mit dir
beschäftigen muss!“ Als dann in verschiedenen Ländern neofaschistische
Parteien an die Macht kamen, waren sie unfähig, sich mit vereinten Kräften
gegen diese Reise in die neunzehnhundertdreißiger Jahre aufzulehnen.
Jetzt war er fünfzig und suchte
noch immer! „Wer sucht, der findet!“ – hatte irgendeine Witzfigur einmal
gesagt.
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Monday, 15 August 2016
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