Monday, 15 August 2016

181) I) Wie schön wäre es doch
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I) Wie schön wäre es doch
Noch ein Strich hier, ein wenig Puder da. Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht! – hätte der sie Murmeln hören, der neben ihr gesessen hätte. „Oh, wie wunderbar wäre es, ein Mann zu sein!“ – dachte sie, aber erinnerte sich sofort daran, was ihr Exmann immer über Anzug und Krawatte gesagt hatte. Er hasste diese Maskerade. „Die, mit den teuersten Anzügen, blankpolierten Lackschuhen, perfekt rasiert und gestriegelt, die sind alle link, haben kein Rückgrat, küssen die Füße der Vorgesetzten, sind hinterlistig gegenüber den Kollegen und treten nach allem, was unter ihnen steht.“ Genau darum hatte sie ihn eigentlich verlassen, er hatte keinen Charakter, keine Persönlichkeit, war ein richtiger Karrieremann. Hatte der überhaupt eine eigen Meinung? Aber zu seiner Zeit zog sie sich solide an. Das war die Erwartung in seinen Kreisen gewesen. Sie lächelte wie auf Knopfdruck. Deshalb ging sie damals einmal in der Woche wegen Gesichtsmassage zum Kosmetiker. Der musste nämlich den Krampf aus den Gesichtsmuskeln herausmassieren. Einmal hatte er ihr vorgeschlagen, nach jeder Stunde Lächeln in eine Zitronenfrucht zu beißen, weil das die Muskelstränge wieder in die andere Richtung ziehen würde. Dabei hatte sie dann von Herzen lachen müssen.
Ihre nächste Bekanntschaft war ein richtiger Macho, eifersüchtig. Aber der nahm wenigstens Viagra, um im Bett gut zu sein. Einmal machte er es eine ganze Nacht, sie konnte am nächsten Tag kaum laufen. Heute erinnerte sie nur die Goldkette an diese Zeit, aber leer war ihr Leben auch mit ihm. Zuerst ein Affe im Anzug und dann ein Stier. Aber sie hatte damals sexy Kleidung getragen, wirklich weiblich.
Der dritte war ein Liberaler. Man hörte ihn viel davon plaudern, dass die Frauen gleichberechtigt seien, ihren eigenen Weg finden müssen. Sie bekam, keine Blumen, musste oft allein aufstehen, und das Wochenende verbrachte man mit Gesellschaftsarbeit. Das war meist eine Demonstration oder Diskussionsgruppe. Wie sie leider feststellen musste, beschäftigte sich dieser Mann ohne Vorurteile mit sehr vielen und interessanten Dingen, nur für sie hatte er überhaupt keine Augen. Sie lebte einfach neben ihm hin.
Man bräuchte vielleicht eine Mischung aus diesen dreien. Oder, hm? Anstatt: „Ich denke, also bin.“ nur: „Ich bin der Mann, den ich habe.“? Hatte sie denn nichts gelernt? Selbst Karriere mache? Sie sieht das an ihrer Freundin, die ist auch nicht ausgeglichener oder zufriedener. Dann gab es da eine mit fünf Kindern, eine andere mit einem. So kleine Dinger bedeuten viel Freude, aber man, oder besser Frau, ist da absoluter Sklave! Der Sinn des Lebens, oder der Sinn der Frau ist die Vermehrung? Gibt es da denn nichts bei dem man oder Frau sich wirklich wie eine Frau fühlen kann, mit etwas Kreativität, Abwechslung, interessant. Stattdessen saß sie hier vor dem Spiegel und malte sich Grimassen ins Gesicht.
II) Wie schön wäre es doch
Schon im Kindergarten stellte er sich immer in die Reihe, tat sofort, was die Tante dort sagte. In der Schule lernte er wie ein Musterknabe, war nur als Streber bekannt. Die Uni absolvierte er in Rekordzeit. Und weil er an seinem ersten Arbeitsplatz sogleich verstand, wie es dort lief, gemeint sind hier Krawatte und Füße küssen, wurde er bald Abteilungsleiter. Beim jährlichen Betriebsfest stellte man ihn dem Betriebsratsvorsitzenden vor. Was für eine Karriere! Aber er hatte überhaupt von nichts eine Ahnung, führte nur die Befehle aus und niemand außer der Vorgesetzten schwärmte für ihn, als …….
Tja, was war das eigentlich gewesen, dieser Vorfall? Er lag am Palmenstrand, nicht vom Luxushotel, in Badehose. Zuerst weiß wie Schnee und nach einer halben Stunde rot wie ein Krebs. Eine Gruppe junger Leute machte gerade in der Nähe unter Palmen eine Party. Sie waren alle schokoladenbraun, liefen, sprangen, schwammen und spielten Strandvolleyball. Als er sich dorthin begab, wurde er ausgelacht. Ja richtig! Ohne Anzug und Firma sah er wirklich witzig aus. Und überall in dem Touristendorf versuchte man ständig, ihm irgendeinen Ramsch anzudrehen. Er musste etwas ändern!
Wieder zu Hause angekommen, ging er ins Fitness-Center und ließ sich beraten. Man fertigte einen Trainingsplan an und gab ihm eine Adresse, wo er bestimmte Mittel kaufen sollte. Mit Spritze, Ernährungsergänzungsmitteln und Viagra ausgestattet begann er sein neues Leben. Natürlich durfte auch Solarium, die richtige Kleidung und Goldkette nicht fehlen. Nach einem Jahr sah er aus wie ein Striezel. Ein sportliches Auto tat den Rest, um beim weiblichen Geschlecht anzukommen. Vor allem Frauen zwischen dreißig und fünfunddreißig, die gerade ihre Scheidung mit einem Karrierefreak hinter sich hatten, bildeten seine Hauptbeute. Mit fünfunddreißig gab es einen kleinen Zusammenbruch, weil sein Stoffwechsel die vielen Wirkstoffe nicht mehr verarbeiten wollte.
Was blieb ihm übrig, als wiederum sein Leben völlig zu ändern. Nach einer Rehabilitationszeit von einem Jahr fühlte er sich erneut ganz gesund, ging in der Woche zweimal schwimmen, dreimal joggen, ernährte sich gesund und lief weniger den Frauenröcken hinterher.
Doch was sollte jetzt die ideologische Grundlage bilden? Rechtsgerichtet? Das waren nur Schreihälse, die wie Hunde nur dann angriffen, wenn sie in der Überzahl waren, sonst sich aber als Feiglinge erwiesen. Vielleicht religiös? Er begann, die Bibel zu studieren. Ein interessantes Geschichtsbuch. Der jüdische Gott war manchmal ziemlich brutal gewesen. Und Jesus? Der war intolerant. Wie kann auch jemand so etwas sagen: „Wenn du nicht für mich bist, so bist du wider mich.“? Aber sonst, hm. Wissen die heutigen, sich selbst so nennenden Christen überhaupt, was in diesem Buch geschrieben steht? Er musste feststellen, dass er ziemlich der einzige war, der dieses Werk wirklich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen hatte.
Jetzt blieb nur noch Esoterik, Liberal, Alternativ. Die Esoteriker! Zuerst musste er sich darüber informieren, was dieses Wort eigentlich bedeutet. „Die Eingeweihten“ – besagte das Lexikon, ein altgriechisches Wort. In den Regalen der Buchhandlungen fand er unter dieser Rubrik Verschwörungstheorien, vermischt mit Mystizismus und östlichen Religionen. Viele fraßen das wie Zucker, hatten dabei ein verzogenes Lächeln, wie ein buddhistischer Mönch auf dem Gesicht, aber eigentlich keine Ahnung von irgendetwas. Naja, wenn ihnen das genügte, doch ihn befriedigte das nicht.
Bei den Alternativen erging es ihm nicht viel besser, eine Anzahl an aberwitzigen Ideen und Vorstellungen, die sehr schön klangen, aber bei genauerem Hinsehen einfach zu flach waren. Und die Liberalen? Seine letzte Hoffnung! Grundsätzlich interessierten die sich eigentlich für nichts. Ihr Leitspruch ließe sich so zusammenfassen: „Tritt mir nicht auf die Füße, damit ich mich nicht mit dir beschäftigen muss!“ Als dann in verschiedenen Ländern neofaschistische Parteien an die Macht kamen, waren sie unfähig, sich mit vereinten Kräften gegen diese Reise in die neunzehnhundertdreißiger Jahre aufzulehnen.
Jetzt war er fünfzig und suchte noch immer! „Wer sucht, der findet!“ – hatte irgendeine Witzfigur einmal gesagt.
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