Wednesday, 2 December 2015

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Das verlorene Weltbild

Nun saß er da, starrte in das fließende Wasser des Flusses unter ihm. Er hatte schon einmal von Männern gehört, die von ihrer Frau betrogen worden waren. Sie hätten es sich nie träumen lassen, wenn jemand es ihnen erzählt hätte. Und genauso betrogen fühlte er sich jetzt auch, verlassen und hintergangen von seinem eigenen Weltbild. Alles was er bisher gelernt und gehört hatte. Auf alle seine Vorbilder hatte er sich dies aufgebaut. Und jetzt musste er feststellen, dass das nichts stimmte.
Wie war das möglich? Warum hatte er es nicht bemerkt? Und woher kam jetzt dieser reine Durchblick?
Sein Weltbild hatte ihn blind gemacht. Er hatte wie in einem Gefängnis gelebt, Mauern nach allen Seiten, in denen er sich sicher fühlte. Aber durch diese Mauern kam auch nichts hindurch, keine Nachrichten von außen. Fünfzig Jahre lang hatte er nicht in der Welt, sondern neben der Welt gelebt und sie war an ihm vorübergegangen, hatte ihn einfach links liegenlassen. Jetzt erinnerte er sich, dass manchmal jemand an sein Tor geklopft hatte, und er es nicht einmal hatte hören wollen. In seinem dunklen Gefängnis hatte es niemand je gewagt, ihm zu widersprechen, und nun tat dies die Wirklichkeit. Sein Burggefängnis war enger, als er es sich hätte träumen lassen. Er hatte immer den Starken gespielt, alles selbst erledigt, für alles gesorgt, keine Hilfe angenommen, jeden herumkommandiert. Sein Sohn war von zu Hause geflüchtet, nur seine Frau war geblieben. Irgendwann hatte auch sie versucht, seiner Gesellschaft aus dem Weg zu gehen. Jetzt saß sie neben ihm und wartete, als wollte sie ihm eine letzte Möglichkeit geben. Aber was von ihm kam, war nur der alte, abgedroschene Blödsinn, er hatte nichts verstanden. Dann stand sie auf, ohne Worte. Er rief sie aber sie kehrte nicht zurück. Er war allein, sein Weltbild hatte ihn betrogen. Er saß da und starrte in das fließende Wasser des Flusses unter ihm.

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