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Das verlorene Weltbild
Nun saß er da, starrte in das fließende Wasser des
Flusses unter ihm. Er hatte schon einmal von Männern gehört, die von ihrer
Frau betrogen worden waren. Sie hätten es sich nie träumen lassen, wenn
jemand es ihnen erzählt hätte. Und genauso betrogen fühlte er sich jetzt
auch, verlassen und hintergangen von seinem eigenen Weltbild. Alles was er
bisher gelernt und gehört hatte. Auf alle seine Vorbilder hatte er sich dies
aufgebaut. Und jetzt musste er feststellen, dass das nichts stimmte.
Wie war das möglich? Warum hatte er es nicht bemerkt? Und
woher kam jetzt dieser reine Durchblick?
Sein Weltbild hatte ihn blind gemacht. Er hatte wie in
einem Gefängnis gelebt, Mauern nach allen Seiten, in denen er sich sicher
fühlte. Aber durch diese Mauern kam auch nichts hindurch, keine Nachrichten
von außen. Fünfzig Jahre lang hatte er nicht in der Welt, sondern neben der
Welt gelebt und sie war an ihm vorübergegangen, hatte ihn einfach links
liegenlassen. Jetzt erinnerte er sich, dass manchmal jemand an sein Tor
geklopft hatte, und er es nicht einmal hatte hören wollen. In seinem dunklen
Gefängnis hatte es niemand je gewagt, ihm zu widersprechen, und nun tat dies
die Wirklichkeit. Sein Burggefängnis war enger, als er es sich hätte träumen
lassen. Er hatte immer den Starken gespielt, alles selbst erledigt, für alles
gesorgt, keine Hilfe angenommen, jeden herumkommandiert. Sein Sohn war von zu
Hause geflüchtet, nur seine Frau war geblieben. Irgendwann hatte auch sie
versucht, seiner Gesellschaft aus dem Weg zu gehen. Jetzt saß sie neben ihm
und wartete, als wollte sie ihm eine letzte Möglichkeit geben. Aber was von
ihm kam, war nur der alte, abgedroschene Blödsinn, er hatte nichts
verstanden. Dann stand sie auf, ohne Worte. Er rief sie aber sie kehrte nicht
zurück. Er war allein, sein Weltbild hatte ihn betrogen. Er saß da und
starrte in das fließende Wasser des Flusses unter ihm.
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Wednesday, 2 December 2015
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