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Der Schmarotzer und die Fliege
Er zog seinen guten Rock aus dem Schrank. Jeden Tag
kontrollierte er ihn, ob sich nicht irgendein Mottentier gerade daran wohltun
wolle. Es war ein schönes Stück, ein Geschenk des Landherrn. Diesem Adligen
hatte er sowieso alles zu verdanken. Wie und warum war jener überhaupt auf
ihn aufmerksam geworden?
Auf seinem Landsitz umgab sich der Großgrundbesitzer mit
den unterschiedlichsten Leuten. Ein grundsätzlich freundlicher Mensch, der
gern lachte, meistens über seine Gäste. Aber dafür wurden diese auch reich
belohnt, indem er sie kleidete, fütterte und ihnen eine Unterkunft zu
Verfügung stellte. Das war der Lauf der Dinge, man wurde entweder ganz oben
oder ganz unten geboren. Es gab drei Gruppen: Für die Untersten bestand das
Leben aus Arbeit, um die Obersten zu finanzieren. Jene wiederum besaßen das
Land, verpachteten einen Teil, organisierten den Mühlenbau, oder ließen
private Mühlen zerstören und achteten darauf, dass die Hierarchie
aufrechterhalten wurde. Dabei halfen ihnen die Spitzel, die Bediensteten, die
Kirche und das fehlende Bewusstsein der Untersten. Jene waren sich nicht im
Klaren, dass alle nackt geboren werden. Spitzel und Begünstigte informierten
die Obersten über Aufwiegler und Abtrünnige.
An diesem Abend hatte der Landherr wieder zu einem
kleineren Essen für seine Günstlinge geladen. Alle waren sie gekommen, um
ihrem Schutzherrn aufzuwarten. Keiner fehlte, keiner wollte in Ungnade
fallen. Herzlich lachten sie auch über seine schlechtesten Witze, besonders
wenn er sich über einen seiner schmarotzenden Gäste vergnügte. Man hatte ihn
in einen großen Vorsaal geführt. Dort warteten sie nun auf Eure Exzellenz.
Neugierig beobachteten sie einander, in der Hoffnung irgendeinen Fehler zu
entdecken, den sie dann dem Gastgeber ankündigen konnten, damit dieser daraus
einen Witz macht. Am besten lachte er aber doch über die von anderen.
Der Herr des Hauses ließ sie ungefähr eine Stunde warten,
bevor er endlich würdevoll mit erhobenem Kopf, oder besser mit gehobener
Nase, durch eine große Tür in den Saal trat. Er verlangte von ihnen eine so
tiefe Verbeugung, dass manche kopfüber nach vorne fielen, worüber er herzlich
lachte. Dies beruhigte die Gäste, weil damit der Abend schon halb erfolgreich
und Geschenke seinerseits gesichert waren. Die gute Stimmung des Hausherrn
war auch für die Hofdiener das Zeichen, dass das abendliche Mahl beginnen
konnte, und so öffnete sich die Flügeltür in den Speisesaal mit der gedeckten
Tafel.
Es waren keine Namensschilder aufgestellt worden, so dass
jeder wartete, wohin sich wohl der Gastgeber setzen würde. Als dieser nach
mehreren Runden um den Tisch seinen Platz gewählt hatte, begann ein Drängeln,
weil ihm jeder so nah wie möglich sein wollte, um vielleicht noch größere
Gunst zu erringen. Dieses absichtlich veranstaltete Durcheinander erfreute
den Landherrn noch mehr.
Endlich wurde die Suppe serviert. Eine Fliege, die schon
lange auf das Festmahl gewartet hatte, ließ sich nun herab, um den besten
Brocken zu finden. Zuerst kreist sie über der Suppenschüssel, wurde aber
durch das ständige Eintauchen des Suppenlöffels gestört. Der Hausherr hatte den
ungeladenen Gast bemerkt und beobachtete mit grimmiger Miene, wohin sich der
Störenfried setzen würde. Wahrscheinlich roch die Fliege den größten
Fleischbrocken bei ihm in seinem Suppenteller. Mehrmals musste er sie
verjagen, bevor sie sich entschloss, woanders ihr Glück zu versuchen.
Der Held unserer Geschichte hatte, während alle dem Zug
der Fliege gefolgt waren, schnell ein schönes Stück Fleisch ergattert und
wollte dies gerade im Ganzen verschlingen, als das freche Tier sich darauf
niederließ. Sämtliche Augen waren jetzt gespannt auf ihn gerichtet. Er legte
den Löffel nieder und die Fliege verschwand, er führte ihn zum Mund und sie
war wieder da. „Was für ein hartnäckiger Geselle!“ – dachte er bei sich. Nach
dem vierten Mal ließ er das Fleisch so langsam wie möglich in den Teller
zurücksinken, nahm den Fächer der Nachbarin und schlug auf die Fliege. Es
platschte gewaltig, wobei auch die neben ihm Befindlichen bespritzt wurden.
Er hatte sie nicht getroffen und verfolgte sie mit dem Fächer. „Der Schmarotzer
wollte der armen Fliege von seinem Mahl nichts abgeben!“ Immer wieder schlug
er nach ihr, so wild fuchtelte er mit dem Fächer um sich, dass er auch seine
Nachbarn traf, die natürlich mit Brot- und Gemüsewurf antworteten. Bald
entstand eine ganze Schlacht, und der Hausherr amüsierte sich köstlich über
diesen Anblick.
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Tuesday, 24 November 2015
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